Kontroverse um Verbot altmodischer Rollenbilder
In Grossbritannien ist seit diesem Sommer sexistische Werbung nicht mehr erlaubt. Erstmals hat die Werbeaufsicht «Advertising Standards Authority (ASA)» kürzlich zwei TV-Werbespots verboten. Betroffen sind Spots von Volkswagen und des Konsumgüterkonzerns Mondelez, zu dem der Frischkäse Philadelphia gehört. Britische TV- und Radiosender müssen das Verbot befolgen und die Spots ablehnen.
Passive Frauen, aktive Männer
Der Spot für den e-Golf von VW zeigt zum Slogan «Wenn wir lernen, uns umzustellen, können wir alles erreichen» zuerst Männer bei aktiven Tätigkeiten: Ein Mann schliesst in den Bergen das Zelt, die Frau bleibt liegen. Zwei Astronauten schweben in einem Raumschiff, ein Sportler macht trotz Beinprothese Weitsprung. Dann folgt noch eine Frau: Sie sitzt lesend neben einem Kinderwagen auf einer Bank. Als ein e-Golf vorbeifährt, schaut sie auf.
Werbespot für e-Golf von VW.
Laut der Werbeaufsicht ASA zementiert dieser Spot «altmodische und stereotype Sichtweisen auf Geschlechterrollen». Männer würden in aktiven und abenteuerlichen Situationen gezeigt, Frauen hingegen passiv schlafend und lesend. Volkswagen Grossbritannien hingegen ist der Meinung, dass der Spot Männer und Frauen «in herausfordernden Situationen» zeigt.
Vergessliche Väter
Der Spot von Mondelez zeigt zwei Männer mit ihren Babys. Sie stehen in einem Restaurant vor einem Fliessband mit gestrichenen Broten. Weil die Väter von Broten mit Philadelphia-Frischkäse abgelenkt werden, setzen sie die Babys auf das Fliessband. Als sie entdecken, dass die Babys auf dem Fliessband durch das Restaurant fahren, holen sie diese schnell zurück. Einer sagt zu seinem Baby: «Das erzählen wir nicht der Mama.»
Laut der Werbeaufsicht ASA bestätigt der Spot das Klischee, dass Männer nicht so gut wie Frauen für Kinder sorgen können. Der Konsumgüterkonzern Mondelez argumentiert, der TV-Spot zeige, dass Männer eine aktive Rolle bei der Kinderbetreuung übernehmen. Der Konzern habe sich bewusst für zwei Männer entschieden, um Klischees zu vermeiden.
Kontroverse Reaktionen
Im «Guardian» warfen Kritiker der Werbeaufsicht vor, zu strenge und intransparente Kriterien anzuwenden und sich wie eine «Moral-Polizei» zu gebärden. Beide Spots gehörten bezüglich Geschlechter-Klischees zu den harmloseren. Kritik kam auch von Clearcast, einer brancheninternen Organisation, die TV-Spots vor der Ausstrahlung begutachtet. «Die ASA hat die Spots strenger beurteilt, als wir aufgrund der neuen Richtlinien annahmen.» Anderer Ansicht ist Jamie Williams von der Londoner Werbeagentur «isobel». Es wirke heutzutage antiquiert, dass im Volkswagen-Spot keine Frau eine aktive Rolle habe. Und der Philadelphia-Spot zementiere Vorurteile im häuslichen Bereich. Es sei unverständlich, dass niemand in den beiden Konzernen diese Klischees bemerkt habe.
Halbherziges Verbot
In der Schweiz hat der Kanton Waadt im Sommer ein Verbot sexistischer Plakate im öffentlichen Raum beschlossen. Allerdings entscheiden die Gemeinden in Eigenregie. In Zweifelsfällen kann eine Kommission Empfehlungen abgeben, welche die Gemeinden jedoch nicht befolgen müssen. Basel-Stadt war 2011 der erste Kanton, der ein Verbot für sexistische Plakate im öffentlichen Raum eingeführt hatte. Ähnliche Vorschriften gibt es in einigen anderen Städten und Gemeinden. Ein schweizweites Verbot ist nicht geplant.
In Deutschland haben einige Städte wie Bremen, Leipzig und München geschlechterdiskriminierende Werbung auf städtischen Plakatflächen verboten. Ein deutschlandweites Verbot sexistischer Werbung ist derzeit kein Thema.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine