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Fitnesstrainerin Manahel al-Otaibi wurde zu elf Jahren Haft verurteilt, weil sie mehr Freiheiten für Frauen forderte. © AI

11 Jahre Haft für Posts über Frauenrechte

fs /  Saudi-Arabien spricht öffentlich von Reformen und drangsaliert heimlich Frauenrechtsaktivistinnen. Diese werden gewaltsam zum Schweigen gebracht.

Manahel al-Otaibi ist Anfang dieses Jahres in einem Geheimprozess wegen «terroristischer Straftaten» zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Die saudischen Behörden warfen ihr vor, sie habe gegen das Gesetz gegen Internetkriminalität verstossen. Sie leite eine Kampagne, die Mädchen aufstachle, religiöse Prinzipien zu leugnen und gegen Bräuche und Traditionen der saudischen Kultur zu rebellieren. Manahel al-Otaibi hatte auf Twitter/X mehr Frauenrechte gefordert und auf Snapchat Bilder von sich in «unanständiger» Kleidung veröffentlicht. Die 29-Jährige hatte keine Abaya getragen, eine Art Mantel, der den Körper verhüllt. Das Urteil des Sonderstrafgerichtes für Terrorverbrechen machten saudische Beamte erst im Frühjahr in einer Erklärung gegenüber der Uno öffentlich.

Isoliert und geschlagen
Manahel al-Otaibi hatte 2019 Kronprinz Mohammed bin Salman öffentlich gedankt, als dieser «radikale Veränderungen» ankündigte, einschliesslich der Lockerung der Kleiderordnung für Frauen. Doch das waren bloss hohle Versprechen, wie die Fitnesstrainerin bald selber zu spüren bekam. Im November 2022 wurde sie verhaftet. Von November 2023 bis April 2024 gab es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Als sie wieder Kontakt zur Familie hatte, gab sie an, brutal zusammengeschlagen worden zu sein und keine medizinische Versorgung erhalten zu haben.

Familie verweigerte Ermordung der Schwestern
Das saudische Regime drangsaliert auch zwei Schwestern von Manahel wegen deren Engagements für Frauenrechte.
Maryam al-Otaibi wurde 2017 verhaftet, weil sie gegen das System der männlichen Vormundschaft protestierte. Sie kam wieder frei, darf aber das Land nicht verlassen und verlor ihren Job in einem Regierungsministerium. Als sie dies öffentlich machte, wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen, den die Polizei jederzeit vollstrecken kann.
Eine andere Schwester, Fawzia al-Otaibi, konnte vor ihrer Festnahme ausser Landes fliehen. «Sie haben meine ganze Familie wegen einiger Tweets über Frauenrechte zerstört», sagte Fawzia im «Guardian». Die Familie sei von den Behörden aufgefordert worden, die Schwestern zu töten. «Sie sagten: ‘Wir werden Ihrem Sohn dabei helfen.’ Aber meine Familie weigerte sich.» Was ihrer Familie widerfahren ist zeige, wie das Regime Frauen behandelt, sagte Fawzia. «Das Regime liess die Welt glauben, es hätte sich verändert, bevor es alle Frauen verhaften liess, die Veränderung forderten.»

Reformen sind leere Versprechen
Das Urteil gegen Manahel al-Otaibi zeigt laut Bissan Fakih von Amnesty International, dass die angekündigten Frauenrechtsreformen der letzten Jahre leere Versprechen waren. «Die Behörden haben ihre Reformen im Bereich der Frauenrechte, einschliesslich der Reformen des männlichen Vormundschaftssystems und der Lockerung der Kleidervorschriften für Frauen, als Zeichen des Fortschritts im Königreich angepriesen. Der Prozess gegen Manahel ist jedoch ein Beweis dafür, dass diese Reformen nicht echt sind und dass die Behörden alles tun werden, um Frauen, die ihre Meinung äussern, zu bestrafen und zum Schweigen zu bringen, indem sie sie über längere Zeit willkürlich inhaftieren, verschwinden lassen und grob unfaire Prozesse führen.»

Saudi-Arabien präsidiert Uno-Frauenrechtskommission
Das Urteil gegen Manahel al-Otaibi ist kein Einzelfall. Gerichte fällten drakonische Strafen auch gegen andere Frauen, weil sie in den Social Media Frauenrechte forderten. Salma al-Shehab wurde deshalb zu 27 Jahren Haft verurteilt, Fatima al-Shawarbi zu 30 Jahren, Sukaynah al-Aithan zu 40 Jahren und Nourah al-Qahtani zu 45 Jahren.
Trotzdem haben die 45 Mitgliedsländer der «Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau» (CSW) Saudi-Arabien kürzlich per Akklamation den Vorsitz für die nächste Sitzungsperiode zugesprochen. Nicht einmal aus der Gruppe «Westeuropa und andere Staaten» gab es Widerspruch. Vertreten sind dort zurzeit die Schweiz, Österreich, Israel, Liechtenstein, die Niederlande, Portugal, Spanien und die Türkei.
Frauenrechte sind Menschenrechte. Doch für westliche Länder zählen sie in Saudi-Arabien offensichtlich nicht. Im Gegenteil: Sie hofieren Autokraten, die Frauen wegen ihres Geschlechts wie Unmündige behandeln und gewaltsam zum Schweigen bringen. Saudi-Arabien soll 2034 sogar die Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft austragen.

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