Autoritäre mobilisieren gegen Frauenrechte
In den USA, Russland, China und vielen anderen Ländern greifen Politiker Selbstbestimmungsrechte von Frauen an. In Deutschland sorgte CDU-Mitglied Gundolf Siebeke Ende letzten Jahres für Schlagzeilen, weil er das Frauenwahlrecht in Frage stellte. Es dürfe nicht geschehen, dass Frauen aus emotionalen Gründen Robert Habeck zum Kanzler wählen. Das Beispiel zeigt, dass Frauenrechte nicht nur in Autokratien, sondern auch in liberalen Demokratien in Frage gestellt werden können.
«Gender» wird zum antifeministischen Kampfbegriff
Antifeminismus gibt es, seit es Feminismus gibt, schreiben die Politologinnen Judith Goetz und Stefanie Mayer in einem Beitrag für den «Standard». Neueren Datums sei «Gender» als antifeministischer Kampfbegriff. Dessen Urheber sei der Vatikan. Stein des Anstosses waren die Uno-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 und die Uno-Weltfrauenkonferenz in Beijing 1995. An beiden Konferenzen ging es vor allem darum, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper in den Abschlussdokumenten zu stärken. «Gender equality» wurde zum positiven Begriff für mehr Frauenrechte.
Vatikan treibende Kraft
In der Folge begann der Vatikan, den Begriff «Gender» negativ umzudeuten. «Gender» sei ein Werkzeug, das die «natürlichen» Geschlechterrollen und die «traditionelle» Familie zerstöre. In der Uno positionierte sich der Vatikan als Kämpfer gegen eine angebliche Übermacht feministischer Nichtregierungsorganisationen und westlicher Regierungen. Er gab sich als wahrer Vertreter der Interessen von Frauen. Bis heute meint der Papst zu wissen, was für Frauen gut ist und was nicht. Diese patriarchale Haltung erinnert an die kürzlich gemachte Aussage des konservativen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, man tue den Frauen «keinen Gefallen», wenn man sie in Führungspositionen bringe.
«Gender-Ideologie» versus «natürliche Geschlechterordnung»
2004 erreichte der Vatikan mit dem Papier «über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt» eine breitere internationale Öffentlichkeit. Darin wertete er «Gender» als Ideologie ab, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen und nicht auf biologische Vorgaben zurückführt. «Gender» zerstöre die natürliche Geschlechterordnung und die Familie. Hingegen gehe das biblische Menschenbild von einer von Gott geschaffenen Verschiedenheit von Mann und Frau aus. Männer und Frauen müssten in «Anerkennung ihrer Verschiedenheit» zusammenarbeiten. Das Streben der Frauen nach Macht führe zu einer Verwirrung der Rollen und die Frau verliere ihre «Fähigkeit für den anderen».
Kontrolle der Fortpflanzung
Christliche Organisationen, Lobbygruppen und Kampagnenplattformen verbreiteten die Inhalte dieses Traktats weltweit. Darauf entdeckten säkulare Rechte «Gender-Ideologie» als Kampfbegriff gegen Frauenrechte. Ihnen ging und geht es bis heute weniger um christliche Werte, sondern hauptsächlich um die Kontrolle der Fortpflanzung im Dienste der Nation. Antifeministische Nationalisten geben sich als Verteidiger «unserer Familien» und Kämpfer gegen den drohenden Zerfall der «natürlichen Ordnung», den Feministinnen angeblich herbeiführen wollen. Diese seien eine «existenzielle Bedrohung» für die Menschen und die Nation.
«Wir nehmen die antifeministische Revolution zu wenig ernst»
In Deutschland hat 25 Prozent der Bevölkerung ein antifeministisches Weltbild, wie aus der Leipziger Autoritarismusstudie hervorgeht. Für Aufsehen sorgt dies kaum. Der Autor Fikri Anıl Altıntaş kritisierte kürzlich in der TV-Sendung «Hart aber Fair», dass die Gesellschaft die «antifeministische Revolution» zu wenig ernst nehme.