«Der Feminismus» als Bedrohung
Feministinnen wollen anderen Frauen vorschreiben, wie sie zu leben und was sie zu denken haben, kritisierte Redaktorin Birgit Schmid kürzlich in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ): «Von denen, die den öffentlichen Diskurs bestimmen, wird jede abweichende Meinung als antifeministisch abgewertet.» Unmittelbarer Anlass war Kritik von «linksfeministischen Kreisen» an einem Artikel von Schmid über die Frauen einer Bauernfamilie.
Rechte Schlagworte
Der Vorwurf von Schmid ist beispielhaft. Personen unterschiedlicher Milieus und politischer Lager werfen «dem Feminismus» wahlweise Bevormundung, Tugendterror oder Zensurwut vor. Artikel wie derjenige von Schmid suggerieren, dass Feministinnen anderen vorschreiben können, was sie zu denken und wie sie zu leben haben. Schmid schreibt von «Genderfeminismus» und übernimmt damit ein Schlagwort, mit dem Rechte gegen Gleichstellungsanliegen hetzen. Auch mit der Behauptung, die Gleichstellung sei bereits erreicht, stimmt Schmid in den Chor der Gegner von Gleichstellungsanliegen ein: «Die wahre Feministin wittert überall Benachteiligung, als ob das Eingeständnis, dass vieles erreicht ist, ihr Engagement unglaubwürdig erscheinen liesse.»
«Wir räumen mit dem Feminismus auf»
Schmid hat in der NZZ Gender-Studies schon als «Ideologie statt Wissenschaft» und die Sexismusdebatte als «Diskurs der Abgehobenen» bezeichnet. In der NZZ ist sie damit in guter Gesellschaft: Auch Inland-Redaktorin Claudia Baer und die frühere NZZ-Gerichtsreporterin Katharina Fontana sind mit Pauschalkritik an «den Feministinnen» und «dem Feminismus» aufgefallen. Fontana hat mittlerweile zur noch konservativeren «Weltwoche» gewechselt. Pauschalkritik an «dem Feminismus» ist auch in anderen renommierten Medien salonfähig geworden. Der «Tages-Anzeiger» (TA) beispielsweise titelte am Weltfrauentag: «Wir räumen mit dem Feminismus auf» und online im TA-Mamablog hiess es «Ich pfeif auf das Feminismus-Diktat!». In der «Zeit» lautete der Titel eines Artikels über Feminismus «Fehlgelenkte Bewegung».
Schreckgespenst Feministin
Pauschale Kritik am Feminismus und an Feministinnen ist nicht neu, schrieb die feministische Bloggerin Brigitte Theissl im «Standard»: «Immer dann, wenn Frauenrechtlerinnen an gesellschaftlichen Strukturen rüttelten, mussten sie als Schreckgespenst herhalten. In den Archiven finden sich Feministinnen, welche die öffentliche Sicherheit gefährden und Familien zerstören, sich per Expressquote in den Chefetagen breitmachen und die deutsche Sprache verunstalten. Zurück blieb der in die letzten Refugien der Männlichkeit vertriebene und verunsicherte Mann.» Geändert hat sich einzig das Schimpfwort. Statt «Emanze» heisst es jetzt «Gender».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine