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Feministin: Für US-Popsängerin Beyoncé ein Bekenntnis, für Birgit Schmid ein Schimpfwort. © BK

Die NZZ entsorgt das Patriarchat

fs /  Der Feminismus müsse den Mann als Feindbild am Leben erhalten, weil das Patriarchat nicht mehr existiere, behauptet die «Neue Zürcher Zeitung».

Im Hinblick auf den kommenden Frauenstreik übt NZZ-Redaktorin Birgit Schmid wieder einmal pauschale Kritik an «den Feministinnen» und am Feminismus. Diesem seien die Argumente ausgegangen, weil das Patriarchat ein Phantom sei. Er müsse das Feindbild Mann fördern, damit es den Feminismus noch brauche, behauptet Schmid.

Das «Phantom des Patriarchats»
Der derzeitige «Diskriminierungsdiskurs» lässt laut Schmid nur den Schluss zu, dass dem Feminismus die Argumente ausgegangen seien. Unpassende Airbags, eine zu tiefe Temperatur im Büro, zu schmale Gehwege, ein Fussballplatz im Park und gescheiterte Beziehungen beeinträchtigten den Alltag von Frauen und Mädchen nicht dermassen, «dass man gleich das alte Phantom des Patriarchats heraufbeschwören müsste». Aus Schmid’s Sicht gibt es keine geschlechtsspezifische Diskriminierung mehr, sondern nur «empfundenes Unrecht». Sie meint, das Patriarchat entsorgen zu können, weil Frauen heute Karriere in Wirtschaft und Politik machen können, es einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen gibt, Gleichstellungsbeauftragte, Teilzeitarbeit und Männer, die sich um Kinder kümmern «und im Haushalt mithelfen». 
Man reibt sich die Augen: Fast alles hat die NZZ bekämpft oder bekämpft es bis heute.

Alte Taktik
Patriarchales Denken sei ein Problem einzelner Individuen, meint Schmid. Das ist eine alte Taktik, um sich nicht mit diskriminierenden Strukturen beschäftigen zu müssen. Schmid: «Patriarchales Denken ist nicht verschwunden, es äussert sich weiterhin darin, wie manche Männer Frauen behandeln. Sexismus, sexuelle Belästigung und Gewalt sind Ausdruck dieser abwertenden Haltung, und sie müssen bekämpft werden. Trotzdem leben wir nicht in einem Patriarchat.» Den Beweis dafür sieht Schmid im Vergleich mit anderen Ländern wie Afghanistan und Iran. Dort heisse Patriarchat, dass Mädchen zwangsverheiratet werden und Frauen die Hinrichtung drohe.

Patriarchale Strukturen
In einer solchen Gesellschaft leben wir tatsächlich nicht. Doch die Strukturen bei uns sind nach wie vor männlich geprägt, was negative Auswirkungen auf Frauenleben hat. Beispiele: Am männlichen Körper orientierte Airbags gefährden Frauenleben. Politikerinnen ziehen sich wegen massiver, geschlechtsspezifischer Drohungen zurück. Mehrheitlich Frauen reduzieren wegen fehlender Kinderbetreuungsplätze ihre Erwerbsarbeit, mit den bekannten negativen Folgen für ihren Lohn und später ihre Rente. Ernsthaft kann auch Birgit Schmid nicht dagegen sein, dies aufzuzeigen und entsprechende Änderungen einzufordern. Das hat nichts damit zu tun, «jeden Mann zum Patriarchen zu stilisieren».

Es geht nicht um ein Feindbild
Dem Feminismus geht es nicht darum, ein Feindbild zu pflegen. Ziel ist vielmehr eine gerechtere Gesellschaft, in der Frauen und Männer in allen Bereichen gleichberechtigt sind und es keine Geschlechterklischees mehr gibt. Eine solche Gesellschaft wäre für alle befreiend. Erwerbsarbeit in Teilzeit wäre kein Schimpfwort, sondern die Norm. Der Vaterschaftsurlaub würde nicht nur zwei Wochen dauern. Medizinische Forschung würde sich immer auch mit den Körpern von Frauen befassen. Es gäbe keine Podiumsdiskussionen mehr ohne Frauen und keine Karriere-Workshops für Frauen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Schmid hat nicht verstanden, dass Feministinnen kein Problem mit Männern haben, aber mit Strukturen, welche die traditionelle Männer- und Frauenrolle fördern und mit der damit einhergehenden Abwertung von Frauen.

Feminismus in der NZZ
Schmid und andere NZZ-Autorinnen und -Autoren üben regelmässig oberflächliche Kritik am Feminismus, der wahlweise die Freiheit bedrohe, zu weit gehe, alles erreicht habe oder rot-grün sei. Bleibt die Frage, weshalb die NZZ über feministische Anliegen nicht wie über andere Themen sachlich berichten kann oder will. Die Antwort kennen nur Birgit Schmid und ihre Kolleginnen.

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