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Die libysche Frauenrechtsaktivistin Hanan al-Barassi wurde mitten in der Stadt Bengasi erschossen © HB

Diese Frauen hätten Schlagzeilen machen sollen

fs /  Hanan al-Barassi und Kristina Hänel engagierten sich in diesem Jahr für Frauenrechte. Auch andere mutige Frauen taten dies, oft unter Lebensgefahr.

Frauenrechtsaktivistinnen schaffen es nur selten in die Schlagzeilen, obwohl sie teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten für gleiche Rechte kämpfen. Deshalb hier ein paar Beispiele von Frauen, die 2020 Schlagzeilen machten oder hätten machen müssen.

Engagement für Frauenrechte trotz Morddrohungen

  • Hanan al-Barassi: Die prominente libysche Frauenrechtsaktivistin wurde Anfang November mitten in der Hafenstadt Bengasi in ihrem Auto erschossen. Laut Amnesty International hatte die 46-Jährige Morddrohungen erhalten. Ihre Ermordung zeige das grosse Risiko, das Frauen in Libyen eingehen, wenn sie sich politisch äussern. Die Rechtsanwältin war bekannt für ihre Videos in den sozialen Medien, die Gewalt gegen Frauen anprangern. Zudem führte sie eine lokale Frauenrechtsorganisation. Und sie hatte angekündigt, den Sohn von Machthaber Chalifa Haftar der Korruption zu überführen. Es gibt eine lange Liste von Aktivistinnen, die bedroht, überfallen, vergewaltigt, entführt und ermordet wurden, weil sie Frauen sind und ihre Stimmen erhoben hatten, schrieb Korrespondentin Bel Trew im «Independent». Oft heisse es, die Betroffenen seien selber schuld, weil sie es wagten, ihre Meinung zu sagen und damit gegen herrschende Moralvorstellungen verstiessen. Frauen seien besonders exponiert, weil keine Miliz sie beschütze und Frauen für die mächtigen Stämme zweitrangig seien. Frauen seien auch deshalb von libyschen Entscheidungsgremien und vom Friedensprozess weitgehend ausgeschlossen.
  • Saba Sahar: Die Filmemacherin, Schauspielerin und Polizistin wurde im Sommer in Afghanistan in ihrem Wagen von Unbekannten angeschossen und schwer verletzt. Sie habe zuvor Morddrohungen erhalten, sagte ihr Mann Emal Zaki der BBC. In ihren Filmen prangert Saba Sahar Gewalt gegen Frauen an. Sie hat auch Karriere bei der Polizei und im Innenministerium gemacht. Erst kürzlich wurde sie zur Delegierten einer Sondereinheit ernannt, die Gewalttaten gegen Frauen verfolgt. Das Engagement für Frauenrechte habe sie zur Zielscheibe von Fundamentalisten gemacht, sagte ihr Mann. Wer sich in Afghanistan für Frauenrechte einsetze, riskiere sein Leben: «Aber es wird den Attentätern nicht gelingen, die Frauen zum Schweigen zu bringen.» Auch auf andere Afghaninnen wurden in diesem Jahr Attentate verübt, weil sie sich für Frauenrechte einsetzen. Dazu gehört Fausia Kufi, die im Sommer angeschossen wurde, als sie aus ihrem Auto ausstieg. Auch sie hatte immer wieder Morddrohungen erhalten und überlebte vor zehn Jahren am Internationalen Frauentag einen Mordanschlag. Kufi nimmt als Teil der Regierungsdelegation an den Friedensgesprächen mit den Taliban teil.
  • Kristina Hänel: Die Frauenärztin ist seit Jahren ein Feindbild von Abtreibungsgegnern in Deutschland, weil sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Sie wird als Kindsmörderin diffamiert, immer wieder angezeigt und erhält Morddrohungen. Hänel versucht, die Abtreibungsgegner auf dem Gerichtsweg zu stoppen. An einer Verhandlung im August sprach sie über die Angst, mit der sie wegen der persönlichen Angriffe von Abtreibungsgegnern leben muss. Seit dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten nehme sie die Drohungen sehr ernst: «Irgendwann wird derjenige kommen, der das alles nicht richtig kapiert, und dann ist meine Chance, eines nicht natürlichen Todes zu sterben, extrem erhöht. Ich will einfach nicht ermordet werden.» Abends ziehe sie nun immer die Gardinen zu aus Angst, man könne sie beobachten, sagte sie spiegel.de. Und bevor sie das Haus verlasse, überlege sie, welcher Weg der sicherste sei.

Aufstand gegen Vergewaltiger

  • Aschwak Talo: Die Jesidin sagte im Frühjahr vor einem Gericht im Irak gegen ihren Vergewaltiger Mohammed Sahab vom «Islamischen Staat» aus. Der IS schenkte ihm 2014 die damals 14-Jährige als «Sexsklavin». Nach zehn Monaten gelang ihr die Flucht. Ihr Peiniger wurde 2018 im Irak verhaftet. Ende letzten Jahres war im irakischen Staatsfernsehen zu sehen, wie Talo ihm gegenüberstand und mit ihm abrechnete: «Ich war damals 14 Jahre alt, so alt wie deine Tochter, dein Sohn, deine Schwester, als du mich vergewaltigt hast. Du hast mein Leben zerstört!» Ihre Aussage vor Gericht im Frühjahr war ein mutiger Schritt, da Vergewaltigungen im Irak ein Tabu sind und die Opfer stigmatisiert werden. Doch nur dank ihrer Aussage konnte erstmals ein irakisches Gericht einen IS-Kämpfer wegen der Vergewaltigung einer Jesidin verurteilen, berichtete die «New York Times». Nach der Verurteilung ihres Peinigers hofft Talo, dass andere Frauen und Mädchen es ihr nun nachmachen und ihre Vergewaltiger auch zur Verantwortung ziehen.
  • Mounia Benfeghoul: Die TV-Moderatorin und Comedian in Algerien erhielt Morddrohungen, nachdem sie in einem Video auf Instagram alle kritisiert hatte, die nach der grausamen Vergewaltigung, Folter und Ermordung der 19-Jährigen Chaima Sadou Verständnis für den einschlägig vorbestraften Täter zeigten: «Es gibt keine Entschuldigungen für Vergewaltiger! Es war eine Vergewaltigung! Sie stimmte nicht zu!» Chaima Sadou hatte ihren Mörder vor vier Jahren wegen Vergewaltigung angezeigt. Nach drei Jahren im Gefängnis kam er frei und nahm erneut Kontakt zu ihr auf. Anfang Oktober ermordete er sie. Auch prominente Schauspielerinnen unterschiedlichen Alters kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung die Kultur der Verharmlosung und Toleranz für Gewalttaten gegen Frauen. Nach zwei weiteren Morden an Frauen demonstrierten landesweit Hunderte gegen die Banalisierung von Gewalt gegen Frauen. In Alger hiess es auf einem Plakat: «Wir träumen von einem Land, in dem Frauen, die über Vergewaltigung sprechen, mehr Gehör finden als Männer, die über das Kopftuch sprechen.» Die Polizei ging vielerorts mit grosser Härte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor, berichtete der TV-Sender euronews.
  • Junge Frauen weltweit: Vier junge Performerinnen aus Chile traten Ende letzten Jahres in einem Theaterstück mit dem Sprechgesang «Ein Vergewaltiger auf Deinem Weg» auf. Nach der ersten Aufführung übernahmen Frauen die Performance in Flashmobs, zuerst in Chile, dann in Südamerika, später weltweit. Der Text von Dafné Valdes, Sibila Sotomayor, Lea Cáceres, Paula Cometa kritisiert patriarchale Strukturen, Sexismus und sexuelle Gewalt und ist strukturiert durch den wiederkehrenden Refrain «Der Vergewaltiger warst Du! Der Vergewaltiger bist Du!»:
    Das Patriarchat ist ein Richter, der uns von Geburt an verurteilt.
    Unsere Strafe ist die Gewalt, die du nicht siehst.
    Die Strafe ist der Femizid, die Straffreiheit für meinen Mörder. Die Strafe ist das Verschwinden, die Vergewaltigung.
    Es war nicht meine Schuld, wo ich war oder was ich trug.
    Es ist die Schuld meines Mannes, meines Ex, des Lehrers, des Bischofs, von Polizisten, Richtern, Politikern, dem Staat, des Präsidenten.
    Unser Staat ist machohaft, unterdrückt und vergewaltigt.
    Schlaf gut, unschuldiges Mädchen. Mach Dir keine Sorgen um den Übeltäter. Über deinen Schlaf süss und lächelnd wacht dein Liebhaber der Polizei.

Diese Frauen hätten 2019 Schlagzeilen machen sollen.


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