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Ein paar mutige Frauen riefen in Kabul die Weltöffentlichkeit auf, die Entrechtung der Frauen nicht schweigend hinzunehmen. © D.R.

Diese Frauen hätten Schlagzeilen machen sollen

fs /  Husna Saddat und Kamila Ferenc engagierten sich in diesem Jahr für Frauenrechte. Auch andere mutige Frauen taten dies, oft unter Lebensgefahr.

Frauenrechtsaktivistinnen schaffen es nur selten in die Schlagzeilen, obwohl sie teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten für gleiche Rechte kämpfen. Deshalb hier ein paar Beispiele von Frauen, die 2021 Schlagzeilen machten oder hätten machen müssen.

«Warum ist die Welt so still?»

  • Wahida Amiri, Husna Saddat und weitere mutige Frauen demonstrierten im Herbst in Afghanistan für ihre Rechte, welche die Taliban massiv eingeschränkt haben. Husna Saddat appellierte anlässlich einer Kundgebung an die internationale Gemeinschaft, dies nicht schweigend zu akzeptieren, berichtete die «Times of India»: «Warum ist die Welt still? Warum hört niemand auf unsere Stimme? Warum sollen wir zu Hause gefangen sein? Wie lange müssen wir noch eingesperrt sein? Warum hört uns niemand zu?» Und: «Warum und bis wann müssen wir wie Gefangene zu Hause bleiben? Warum kann uns niemand hören? Warum dürfen Frauen in unserer Gesellschaft nicht mehr aktiv sein?» Andere Demonstrantinnen fragten: «Warum sieht die Welt uns schweigend beim Sterben zu?» Und sie forderten unter anderem «Recht auf Arbeit» und «Recht auf Bildung». Demonstrantin Wahida Amiri sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Uno müsse das Recht der Afghaninnen auf Bildung und Arbeit aktiv unterstützen. In Kabul demonstrieren seit der Machtübernahme der Taliban immer wieder einige mutige Frauen. Die Taliban gingen bisher meist nicht gegen die Demonstrantinnen vor, sondern gegen Pressevertreter, die über die Kundgebung berichten wollten.

  • Narges Mohammadi: Die prominente Frauen- und Menschenrechtsaktivistin im Iran wurde dieses Jahr zum wiederholten Mal zu einer Gefängnisstrafe, Peitschenhieben und einer Geldstrafe verurteilt. Erst letztes Jahr war Mohammadi nach über fünf Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden. Die Journalistin setzt sich seit langem für Frauenrechte und gegen die Todesstrafe ein. Sie war deshalb mehrmals im Gefängnis, wo sie auch misshandelt wurde. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte sie im Sommer, die iranische Justiz gehe so hart gegen sie vor, weil sie eine Frau sei: «Die Machthaber versuchen mit allen Mitteln, uns zu brechen und zum Schweigen zu bringen.» Am diesjährigen Frauentag Anfang März schrieb die «Internationale Gesellschaft für Menschenrechte» (IGFM): «Das Schicksal und mutige Engagement von Narges Mohammadi steht symbolisch für viele Frauen im Iran, deren Menschenrechte unterdrückt werden und die dies nicht einfach hinnehmen wollen. Sie fordern die gleichen Rechte wie die Männer in der Gesellschaft, wollen mitreden, gehört werden und setzen sich friedlich für Selbstbestimmung ein. Die IGFM fordert, Wirtschaftsdeals mit dem Iran an die Achtung der Menschenrechte und die Gleichberechtigung der Frauen zu knüpfen.» Doch stattdessen wurde der Iran im letzten Frühjahr in die UN-Frauenrechtskommission gewählt, mit Zustimmung von mindestens vier westlichen Staaten.

Lebensgefährlicher Kampf gegen sexualisierte Gewalt

  • Marthe Wandou war eines der ersten Mädchen ihres Heimatdorfes in Kamerun, das eine Universität besuchen konnte. Sie studierte Jura und setzte sich zum Ziel, Mädchen und Frauen bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Seit über zwanzig Jahren engagiert sie sich auch unter Lebensgefahr für Mädchen und Frauen in der Tschadsee-Region, ganz im Norden von Kamerun. «Es gibt kein Mädchen in der Region Hoher Norden in Kamerun, das noch nie geschlechtsspezifische Gewalt erlebt hat, egal welcher Art», sagte Wandou der Deutschen Welle. Für ihr Engagement erhielt sie dieses Jahr den Alternativen Nobelpreis. In der Begründung wurde ihr ganzheitlicher Ansatz gewürdigt, der Bildung, psychosoziale Betreuung und rechtlichen Beistand für Opfer sexualisierter Gewalt umfasst. Betroffene seien Einheimische, aber auch Flüchtlinge und Binnenvertriebene infolge der Angriffe der Terrormiliz Boko Haram und des bewaffneten Konflikts im englischsprachigen Landesteil. Weiter heisst es in der Begründung für den Alternativen Nobelpreis: «In einem Umfeld, das von menschenrechtsverletzenden kulturellen Praktiken und existentieller Unsicherheit geprägt ist, übernimmt Wandou eine couragierte Führungsrolle im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und für das Wohlergehen von Mädchen und Frauen in Kamerun und im Tschadbecken.» 


«Für Angst bin ich zu müde»

  • Kamila Ferenc, Anwältin in Polen, erhält Morddrohungen, seit sie sich dafür einsetzt, dass Frauen eine Schwangerschaft abbrechen können. Für Angst sei sie zu müde, zitierte der «Spiegel» die 30-Jährige. Die rechtskonservative polnische Regierung hat in den letzten Jahren das Abtreibungsrecht zunehmend verschärft. Seit Anfang dieses Jahres ist der Schwangerschaftsabbruch auch verboten, wenn der Fötus schwere Fehlbildungen hat. Kamila Ferenc arbeitet für den polnischen Bund für Frauen und Familienplanung (Federa). Sie berät Frauen, die ungewollt schwanger sind. Und sie vertritt Frauen, die Polen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Abtreibungsverbotes verklagt haben. Zudem übernimmt sie den Rechtsbeistand, wenn bei einer der Demonstrationen gegen das faktische Abtreibungsverbot jemand verhaftet wird. Das Verbot habe nicht dazu geführt, dass weniger Frauen abtreiben, sagt Ferenc. Sie müssten es jetzt einfach heimlich machen: «Ob man abtreibt oder nicht, ist keine abstrakte moralische Überlegung. Es ist eine Entscheidung, die Frauen treffen, die konkrete Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Familien hat.»
  • Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Deutschland, hat Zeugnisse von 150 Frauen veröffentlicht, die sich zur Priesterin oder Diakonin berufen fühlen. Im Buch «Weil Gott es so will», schreibt die Ordensfrau. Es sei eine «Verschwendung von Begabung», Frauen von Weiheämtern auszuschliessen. Die katholische «Männerkirche» sei eine «amputierte» Kirche, weil sie mehr als die Hälfte aller Gläubigen von den Weiheämtern ausschliesse, sagt Rath. «Dass Frauen Priesterinnen werden wollen, können sich die männlichen Verantwortungsträger in meiner Kirche gar nicht vorstellen», schrieb sie im «Zeit»-Magazin. «Es kann halt nicht sein, was nicht sein darf.» Frauen, die sich berufen fühlen, würden leiden, weil die Kirche sie ausschliesst und diskriminiert. Seit dem Erscheinen des Buches meldeten sich weitere Frauen bei ihr, die das Tabu brechen und über ihre Berufung sprechen wollen. Rath: «Diese Berufungen sind bisher einfach unter den Teppich gekehrt worden, nicht beachtet, nicht gewürdigt, nicht geprüft worden.» 
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