Maulkorb für Feministin verstösst gegen Meinungsfreiheit
Im konkreten Fall aus Grossbritannien geht es um die Steuerexpertin Maya Forstater. Sie hatte 2018 getwittert, dass es einen Unterschied zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht gibt. Ein Mann bleibe ein Mann, auch wenn er sich als Frau definiere. Das biologische Geschlecht könne man nicht ändern. Darauf erneuerte der Think Tank «Centre for Global Development» den Vertrag mit ihr nicht, weil sich einige Kollegen über den «beleidigenden» Kommentar beschwert hatten. Forstater verklagte den Think Tank. Vor zwei Jahren entschied ein Arbeitsgericht, dass die Kündigung rechtens war. Forstater habe mit ihrem Kommentar Transfrauen, die biologisch Männer sind, diskriminiert. Das Urteil sorgte europaweit für Schlagzeilen.
Verstoss gegen Meinungsfreiheit
Für viel weniger Aufsehen sorgte, dass ein Berufungsgericht dieses Urteil kürzlich aufgehoben hat. Es begründete den Entscheid mit der Meinungsfreit. Die Meinung von Forstater verletze die Rechte von Transfrauen nicht, werde auch von anderen Menschen geteilt und müsse eine demokratische Gesellschaft tolerieren. Forstater äusserte sich in britischen Medien erfreut. Sie habe nichts gegen Transfrauen. Aber man müsse darüber sprechen dürfen, was das biologische Geschlecht für Frauen in der Realität bedeutet. Nur so könne man Diskriminierung aufgrund des biologischen Geschlechts bekämpfen.
Kein Einzelfall
Forstater ist nicht die erste Feministin, die in Grossbritannien wegen dieser Meinung massive Schwierigkeiten bekam.
- Die Juristin Rosa Freedman und die Kriminalistin Jo Phoenix wurden Ende 2019 und Anfang 2020 von Veranstaltungen der Universität Essex ausgeladen. Phoenix warf man vor, dass sie Transfrauen in Frauengefängnissen ablehnt. Freedman wurde sogar bedroht, weil sie darauf hingewiesen hatte, dass Rechte für Transfrauen hart erkämpfte Rechte biologischer Frauen gefährden können. Die Universität entschuldigte sich erst kürzlich, dass sie die Meinungsfreiheit der beiden Wissenschaftlerinnen nicht geschützt hatte.
- Anfang dieses Jahres verliess die feministische Kolumnistin Suzanne Moore den «Guardian», nachdem sie monatelang wegen eines Kommentars zur Diskriminierung biologischer Frauen gemobbt und massiv bedroht worden war. Moore kritisierte, dass die Transideologie Gesetze gefährdet, welche die Diskriminierung aufgrund des biologischen Geschlechtes beenden sollen. Dies nütze nur dem Patriarchat. Biologische Frauen müssten dies benennen und sich organisieren können, um etwas zu verändern. Man dürfe ihnen deshalb nicht Transfeindlichkeit vorwerfen.
- Anfang Juni kündigte die «Royal Academy» an, die Arbeiten der Textilkünstlerin Jess de Wahls aus ihrem Shop zu verbannen, wegen «transphober» Äusserungen in einem zwei Jahre alten Blogbeitrag. Darin hatte de Wahls die Meinung vertreten, dass Transfrauen nicht die gleichen Rechte wie biologische Frauen einfordern können. Die Akademie der Künste hat sich mittlerweile entschuldigt und eingeräumt, ihren wichtigsten Wert verraten zu haben: Den Schutz der freien Meinungsäusserung.
Frauen zum Schweigen bringen
Es dürfe nicht sein, dass Frauen, die das biologische Geschlecht für relevant halten, bestraft, belästigt und körperlich angegriffen werden, kommentierte der «Observer» die Fälle aus Grossbritannien. «Das erschreckende Ergebnis ist, dass Frauen zum Schweigen gebracht werden, weil sie die Konsequenzen fürchten, wenn sie ihre feministischen Überzeugungen ausdrücken.» Eine demokratische Gesellschaft müsse die Frage klären, wie sie die Privatsphäre, die Würde und die Rechte von Transfrauen und von biologischen Frauen respektiert und schützt: «Wir müssen die Würde und die Rechte von Transfrauen schützen und gleichzeitig die Würde und die Rechte der geborenen Frauen respektieren.» Biologische Frauen hätten seit Jahrhunderten für ihr Recht auf freie Meinungsäusserung gekämpft. In einer Demokratie dürfe dieses Recht nicht in Frage gestellt werden.
Kontroverse unter Feministinnen
Die Debatte spaltet die feministische Bewegung seit Jahrzehnten. Umstritten ist die Frage, wie Geschlecht definiert wird. Für die einen ist das biologische Geschlecht ein entscheidender Grund für die Diskriminierung von Frauen. Vor diesem Hintergrund fordern sie beispielsweise, dass sie Transfrauen, die biologisch Männer sind, von ihren Organisationen und von bestimmten geschützten Räumen für biologische Frauen ausschliessen dürfen.
Andere Feministinnen kritisieren, dass diese Sicht die patriarchale Definition der Geschlechter zementiert. Der Ausschluss von Transfrauen sei antifeministisch und Rückenwind für rechte Bewegungen, für die der Kampf gegen eine andere Sicht auf die Geschlechter eine wichtige Mobilisierungsstrategie ist. Das Patriarchat könne man nur überwinden, wenn die Geschlechtsidentität das biologische Geschlecht ersetzt. Entscheidend sei, zu welchem Geschlecht man sich zugehörig fühlt. Eine Folgerung daraus ist, dass Transfrauen, die biologisch Männer sind, zum Beispiel auch Zugang zum Damen-WC erhalten sollen.