Lotterie soll mehr Frauen an Gerichte bringen
In der Schweiz wählt das Parlament die Mitglieder des Bundesgerichtes nach einem Parteienproporz, was die Auswahl erheblich einschränkt. Eine Initiative verlangt deshalb, dass künftig das Los über Stellen am Höchstgericht entscheiden soll und nicht mehr das Parlament. Und Kandidierende sollen nicht mehr Mitglied einer Partei sein müssen. Eine von der Regierung ernannte Fachkommission soll entscheiden, welche Bewerberinnen und Bewerber in den Lostopf kommen. Unklar ist, wie dieses Gremium zusammengesetzt sein soll und welches die Kriterien für die Vorauswahl sind. Die Initiative schreibt lediglich eine angemessene Vertretung der Sprachregionen vor. Hingegen ist keine Frauenquote für den Lostopf vorgesehen.
Mehr Bewerbungen dank Losverfahren
Ob ein solches Losverfahren den Frauenanteil an Gerichten erhöht oder nicht, ist umstritten. Ökonomin Margit Osterloh hat Quoten und Zufallsauswahlen in der Wirtschaft erforscht. Sie sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenportal «swissinfo», dass sich mehr qualifizierte Frauen bewerben, wenn Arbeitsstellen per Los vergeben werden. Osterloh geht davon aus, dass dies auch bei einem Losverfahren für Gerichtsämter der Fall sein wird. Eine Frauenquote für den Lostopf brauche es deshalb nicht. Über die Jahre führe das Losverfahren dazu, dass Gerichte automatisch vielfältiger und ausgeglichener besetzt werden. Im Vergleich zu Quoten habe das Losverfahren den Vorteil, dass es niemanden diskriminiert.
Mehr Bewerbungen dank Teilzeitstellen
Anderer Ansicht ist Anwältin Nina Ochsenbein. Sie hat den Richterinnenanteil an Schweizer Gerichten erhoben und die Wahlsysteme analysiert. Ochsenbein sagt, der Frauenanteil werde ohne Quote für den Lostopf nicht höher. Denn ein Losverfahren allein führe nicht zu mehr Bewerbungen von Frauen. Entscheidend dafür seien vielmehr die Arbeitsbedingungen. Wenn man den Frauenanteil bei den Bewerbungen erhöhen wolle, müsse man beispielsweise mehr Teilzeitstellen schaffen. Das mache den Richterinnenberuf für Frauen attraktiver. Osterloh teilt diese Ansicht. «Das ist ein legitimer Einwand, der allerdings für jedes Verfahren gilt – insbesondere das heutige. Das muss in jedem Fall bedacht werden.»
Mehr Teilzeitstellen, mehr Richterinnen
Laut Ochsenbein gibt es heute an jedem dritten Gericht in der Schweiz keine Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. «An diesen Gerichten ist der Anteil der Richterinnen deutlich niedriger. Und je höher das Gericht, desto weniger Frauen sind Richterin.» Der Frauenanteil an hauptamtlichen Gerichtsämtern in der Schweiz betrage rund 40 Prozent. Doch an jedem fünften Gericht gebe es keine einzige hauptamtliche Richterin. Ochsenbein: «Das finde ich schockierend.»