Afghaninnen an der Konferenz in Tirana. Den Teilnehmerinnen drohte der afghanische Justizminister mit der Verhaftung. © WFA

Diese Frauen hätten Schlagzeilen machen sollen

fs /  Frauenrechtsaktivistinnen schaffen es nur selten in die Schlagzeilen. Deshalb hier, was 2024 Schlagzeilen machte oder hätte machen müssen.

«Wir müssen der Welt sagen, was sie uns antun»
Als sich im Sommer die Taliban aus Afghanistan mit Vertretern der internationalen Staatengemeinschaft in Doha trafen, waren Frauen und Frauenrechte auf Wunsch der Taliban explizit ausgeschlossen. Manche der eingeladenen Aktivistinnen boykottierten aus Protest einen Ersatzdialog nach Abreise der Taliban. Rund 130 Afghaninnen trafen sich danach im September in Tirana. Im Schlussdokument (englisch) hielten sie ihre Forderungen an die internationale Gemeinschaft fest. Organisiert hatten das Treffen die NGO «Women for Afghanistan» und die ehemalige Parlamentsabgeordnete Fawzia Koofi. Sie hatte in Afghanistan zwei Mordanschläge überlebt und lebt jetzt im britischen Exil. 
Für die Organisatorinnen war es schwierig, einen Tagungsort in einem muslimischen Land zu finden. Länder wie die Türkei und die Emirate lehnten ab oder ignorierten die Anfrage. Koofi kritisierte im «Guardian» eine «schleichende Normalisierung» der diplomatischen Beziehungen mit den Taliban, unter Ausschluss der Frauen. «Wenn die Stimmen der Frauen nicht gehört werden, werden auch ihre Rechte nicht respektiert.» 
An der Konferenz nahmen vor allem Exil-Afghaninnen teil. Aus Afghanistan schafften nur wenige die für Frauen lebensgefährliche Reise nach Tirana. Andere wurden an den Grenzen aufgehalten oder in Pakistan aus dem Flugzeug geholt. Der afghanische Justizminister drohte Konferenz-Teilnehmerinnen mit der Verhaftung und einem Strafprozess nach den Regeln der Scharia. Eine Frau, der die Ausreise erst im zweiten Anlauf gelang, sagte im «Guardian»: «Ich musste nach Tirana, auch wenn ich nicht weiss, ob ich verhaftet werde, wenn ich heimkehre. Denn welche Hoffnung gibt es sonst, dass sich die Dinge ändern? Wir müssen der Welt sagen, was sie uns antun.» Doch weltweit für Schlagzeilen sorgte einzig das Treffen in Doha mit den Taliban. 

«Krieg gegen Frauen und Mädchen»
Im Iran drangsalieren die Behörden Frauen und Mädchen seit der brutalen Niederschlagung der Bewegung «Frau, Leben, Freiheit», berichtet Amnesty International: «In einem eigentlichen Krieg gegen Frauen und Mädchen gehen die Behörden gegen alle vor, die sich den drakonischen Kleidervorschriften widersetzen. Verstärkt wird auch die Todesstrafe eingesetzt, um Kritikerinnen zum Schweigen zu bringen.» Seit diesem Frühjahr versuche das Regime, die Kopftuchpflicht mit aller Gewalt durchzusetzen. Der Kampf der iranischen Frauen gegen die Kopftuchpflicht und für ihre Freiheit hat viele Gesichter. Nachfolgend ein paar Beispiele:

  • Amnesty International zitiert die 14-jährige Nafas Hajisharif: «Sie haben mich an den Haaren gezogen, mich angeschrien und beschimpft … Sie haben mich in den Transporter gesteckt und dort auf den Boden geworfen. Eine Beamtin hat mich geschlagen, mir mit ihrem Knie den Hals zugedrückt und meinem Kopf einen heftigen Schlag versetzt. Mein Kopf steckte zwischen den Sitzen fest, und sie haben mich in die Körperseite getreten.»
  • Die Menschenrechtsverteidigerin Sharifeh Mohammadi und die kurdische Aktivistin Pakhshan Azizi wurden der «bewaffneten Rebellion gegen den Staat» für schuldig befunden und von Revolutionsgerichten zum Tode verurteilt. Die Berufung von Mohammadi wurde kürzlich gutgeheissen.
  • Mindestens zwei weitere Frauen, Wrisha Moradi und Nasim Gholami Simiyari, wurden ebenfalls in getrennten Fällen wegen «bewaffneter Rebellion gegen den Staat» (baghi) verurteilt.
  • Arezoo Badri trug am Steuer ihres Autos kein Kopftuch. Als sie sich weigerte auszusteigen, schoss ein Polizist auf sie. Die 31-Jährige ist seither gelähmt.

Fünf Jahre Haft für #MeToo-Aktivistin
In China ist die Investigativjournalistin Huang Xueqin (Sophia Huang) in diesem Sommer zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie die Staatsmacht untergraben haben soll. Zusätzlich muss Huang laut der Nachrichtenagentur AP eine Geldstrafe von 100.000 Yuan (12.900 Euro) zahlen. 
Die freiberufliche Journalistin gilt als eine der wichtigsten Stimmen der #MeToo-Bewegung in China. Sie ermutigte unter anderem Betroffene, sexuelle Belästigungen auf einer Online-Plattform öffentlich zu machen. Laut «Reporter ohne Grenzen» führte Huang Umfragen durch, die das Ausmass der geschlechtsspezifischen Belästigung in der Medienbranche aufzeigten. Sie habe mitgeholfen, Chinas ersten #MeToo-Fall in einer renommierten Universität in Peking aufzudecken. Und in den Social Media habe sie über sexuelle Belästigung an ihrem Arbeitsplatz bei einer chinesischen Nachrichtenagentur berichtet.
Das Gericht in der südchinesischen Stadt Guangzhou befand die Journalistin für schuldig, «verzerrte, provokative und die Regierung angreifende Artikel und Reden» in Onlinemedien veröffentlicht zu haben. Das Verfahren gegen Huang fand hinter verschlossenen Türen statt. Weder Journalistinnen noch Unterstützerinnen durften in den Gerichtssaal. Huang will gegen das Urteil Berufung einlegen.
China geht wie andere autoritäre Regime hart gegen Frauenrechtsaktivistinnen vor und versucht, sie mundtot zu machen. In politischen Spitzenämtern der Volksrepublik gibt es kaum noch Frauen. 

«Alle Feministinnen werden angegriffen»
Die Frauenbewegung in Argentinien gehört zu den erfolgreichsten in Lateinamerika: Mit der Kampagne «Ni una menos» (Nicht eine weniger) gegen geschlechtsspezifische Gewalt mobilisierte sie seit 2015 Hunderttausende gegen die grassierende Gewalt an Frauen. Und vor vier Jahren errangen die Aktivistinnen im katholischen Land das Recht auf Abtreibung und finanzielle Unterstützung für Frauen in Not. Doch seit der ultrarechte Präsident Javier Milei Anfang dieses Jahres sein Amt angetreten hat, ist eine Einschüchterungswelle gegen Feministinnen im Gang. Journalistin Luciana Peker sagte im «Guardian», der Feminismus in Argentinien sei eine treibende Kraft im Kampf für Frauenrechte in ganz Lateinamerika. Doch nun sei eine Hexenjagd gegen Feministinnen und ihre Errungenschaften im Gang. Es gehe darum, Frauen zum Schweigen zu bringen. «Für die Rechtsextremen weltweit ist es wichtig, dass Milei versucht, die argentinischen Frauen zu disziplinieren.» 
Peker sagt, sie sei schon früher beschimpft und bedroht worden, wenn sie zu Gleichstellungsthemen geschrieben habe. Aber nun seien diese Leute an der Macht: «Ich habe Drohungen bekommen, die nachweislich von Leuten stammen, die mit den Sicherheitskräften verbunden sind.» Peker hat das Land deshalb mittlerweile verlassen. Die erfolgreiche Autorin Claudia Piñeiro spricht von einer gezielten Kampagne: «Alle Feministinnen werden angegriffen.» Die Journalistin Giselle Leclercq sagt: «Sie führen einen ähnlichen Kreuzzug wie in mehreren westlichen Ländern gegen alles, was mit fortschrittlichen Bewegungen zu tun hat, allen voran gegen den Feminismus.» 

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