Hohn und Spott für feministische Aussenpolitik
Die deutsche Regierung will die Wehrausgaben mit einem «Sondervermögen» von 100 Milliarden Euro aufstocken. Im Parlament sagten Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU), das Geld dürfe die Regierung einzig für die Bundeswehr ausgeben und nicht für feministische Aussenpolitik. Dazu machte Merz eine abschätzige Handbewegung.
Allergische Reaktionen auf Etikett «feministisch»
Merz hat damit wohl nicht nur in den Augen seiner Parteigenossen den richtigen Ton getroffen. Frauenpolitik gilt nach wie vor als zweitrangig, «Gedöns«, wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor Jahren abschätzig sagte. Und auf das Etikett «feministisch» reagiert nicht nur Friedrich Merz allergisch. Als Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einer denkwürdigen Rede vor dem Parlament sagte, die Ablehnung feministischer Aussen- und Sicherheitspolitik breche ihr das Herz, machte Merz sich lustig mit spöttisch-mitleidigen Gesten, andere lachten.
«Das ist kein Gedöns, sondern auf der Höhe der Zeit»
Baerbock liess sich nicht irritieren und berichtete von ihrem Besuch bei Frauen in Srebrenica, die mit den im Bosnien-Krieg erlittenen Vergewaltigungen seit dreissig Jahren leben müssen. «Damals wurde nicht gehandelt. Anfang der Neunzigerjahre, als sie, als ihre Töchter und Freundinnen vergewaltigt wurden, war Vergewaltigung als Kriegswaffe nicht anerkannt. Sie konnte vom Internationalen Strafgerichtshof nicht verfolgt werden. Und deswegen gehört zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Sichtweise. Das ist kein Gedöns, sondern das ist auf der Höhe dieser Zeit.» Baerbock stellte für die aktuelle Situation klar, dass Investitionen in die Bundeswehr und andere Ausgaben für mehr Sicherheit einander nicht ausschliessen. Es gehe darum, den Blick auszuweiten auf alle Opfer dieses Krieges. Deshalb wolle die Regierung mit dem «Sondervermögen» nicht nur das Militär, sondern beispielsweise auch Kleinbauern in Afrika unterstützen, damit sich dort wegen der mit dem Ukrainekrieg ausgelösten Kornkrise die Sicherheitslage nicht weiter verschlechtert.
Feministische Aussenpolitik setzt andere Prioritäten
«Feministisch» mag für Männer wie Merz und Dobrindt nach Benachteiligung von Männern klingen. Doch sie irren sich. Es geht vielmehr um andere Prioritäten. Feministische Aussen- und Sicherheitspolitik hinterfragt das traditionelle Verständnis, wonach die Sicherheit eines Nationalstaates und damit das Militär Priorität hat. Sie erweitert den Blick von der Sicherheit der Grenzen auf die Sicherheit der einzelnen Menschen. Erst diese umfassendere Sicht machte es möglich, dass der Uno-Sicherheitsrat 2008 Vergewaltigungen im Krieg als Kriegsverbrechen anerkannte. Seither müssen Täter damit rechnen, vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt zu werden.
Frauen müssen an den Verhandlungstisch
Feministische Aussenpolitik fordert auch, dass die Delegationen bei Friedensverhandlungen divers zusammengesetzt sein müssen, weil die Ergebnisse erwiesenermassen tragfähiger sind. Doch bis heute haben Männer das Sagen, wie aktuell die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zeigen. Auch in Afghanistan spielten Frauen und ihre Rechte bei den Verhandlungen zwischen der früheren Regierung und den Taliban laut afghanischen Aktivistinnen kaum eine Rolle. In den Friedensverhandlungen nach dem Bosnien-Krieg gab es keine einzige Frau in den Delegationen. Damals galt Vergewaltigung noch nicht als Kriegsverbrechen und die internationale Gemeinschaft liess die unzähligen betroffenen Frauen mit ihrem Schmerz allein.
«Frauenrechte sind ein Gradmesser für Sicherheit»
Auf Instagram wies Baerbock darauf hin, dass man Frauenrechte als Frühwarnsystem für die Sicherheit endlich ernst nehmen muss, weil autoritäre Regime Frauenrechte zuerst einschränken: «Einige meiner Kollegen sagen, beim Thema Sicherheit geht es nun endlich wieder um die Bundeswehr und nicht mehr um feministische Aussenpolitik. Ich habe eine erschreckende Wahrheit für sie: In autoritären Regimen sind es die Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen, die als erstes dran glauben müssen. An ihnen zeigt sich, wohin die Reise geht. Das haben wir in Russland gesehen, als man vor ein paar Jahren anfing, die häusliche Gewalt zu entkriminalisieren. Und nicht nur dort. Frauenrechte sind weltweit ein Gradmesser für Demokratie und somit auch ein Gradmesser für Sicherheit.»