Schweiz: Väter müssen länger Unterhalt zahlen

fs /  Geschiedene Väter müssen Alimente zahlen, bis ein Kind seine Ausbildung abgeschlossen hat. Auch wenn es bereits volljährig ist.

Scheidungskinder haben über das 18. Altersjahr hinaus Anrecht auf Unterhalt, falls sie noch in der Ausbildung sind. Der Anspruch endet erst mit dem Abschluss der Ausbildung. Dies hat das Bundesgericht entschieden, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».
Gemäss dem Scheidungsrecht «kann» der Unterhaltsbeitrag für ein Kind über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festgelegt werden. Nun hat das Höchstgericht entschieden, dass diese Vorgabe nicht nur auf diejenigen Kinder anzuwenden ist, bei denen zum Zeitpunkt der Scheidung bereits absehbar ist, dass sie ihre Ausbildung erst nach dem 18. Altersjahr abschliessen können. Sie gilt auch für Kinder, die bei der Scheidung noch klein sind und deren schulischer und beruflicher Werdegang zu diesem Zeitpunkt noch offen ist. Eine längere Unterhaltspflicht verhindere, dass das Kind später gerichtlich gegen den Unterhaltspflichtigen – meistens den Vater – vorgehen müsse, wenn dieser die Ausbildung nicht bezahlen will.
«Mütter stärker in die Pflicht nehmen»
Damit werde eine «kann»-Bestimmung zu einer «muss»-Bestimmung, kommentierte die NZZ. Man müsse sich fragen, «ob die Festlegung des Unterhalts zehn oder mehr Jahre vor der Volljährigkeit des Kindes sinnvoll ist». In den meisten Fällen heisse dies für einen geschiedenen Vater, dass er «auf Jahre hinaus» Kinderalimente bezahlen müsse. Väterrechtsaktivist Oliver Hunziker vom «Verein verantwortungsvoll erziehender Väter und Mütter» sagte im «Blick», Unterhaltspflichtige würden «doppelt bestraft», da sie länger zahlen müssen und das Bundesgericht eine Beteiligung der Mutter nicht explizit verlange. Es gehe nicht darum, die Beträge für die Kinder zu reduzieren, sondern die Mütter stärker in die Pflicht zu nehmen.
Auf politischer Ebene steht die Reform des Unterhaltsrechtes bevor. Der Bundesrat (Regierung) kommt in seinem Vorschlag den Forderungen der Väter- und Männerorganisationen weit entgegen: Der unterhaltspflichtige Elternteil – meistens der Mann – darf weiterhin das Existenzminimum behalten. Wenn also zu wenig Geld für die Kinder da ist, muss der betreuende Elternteil – meistens die Mutter – aufs Sozialamt. Neu ist einzig, dass sie die Leistungen für die Kinder später nicht mehr zurückzahlen muss .
Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) wollte die Reform des Unterhaltsrechtes ursprünglich mit der Reform des Sorgerechts verknüpfen. Doch Väter- und Männerorganisationen lobbyierten erfolgreich dafür, dass die Regierung die Reform des Sorgerechts vorzog. Mittlerweile hat das Parlament beschlossen, dass auch zerstrittene Eltern unabhängig vom Zivilstand nach der Trennung automatisch das gemeinsame Sorgerecht behalten.

Das Urteil des Bundesgerichts (in Französisch):
(Aktenzeichen: 5A_808/2012)


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