Schwache Argumente gegen Frauenquote
In Deutschland hat das Landesverfassungsgericht von Thüringen im Sommer die Paritätsregel im Landeswahlgesetz gekippt. Danach hätten die Parteien ihre Listen für Landtagswahlen abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen sollen. Klage eingereicht hatte die rechte AfD, also die Partei mit dem geringsten Frauenanteil. Eine Mehrheit des mit acht Richtern und einer Richterin besetzten Gerichtes begründete den Entscheid mit der Freiheit und Gleichheit der Wahl. Der Dachverband Deutscher Frauenrat kritisierte diese Begründung. Die Freiheit und Gleichheit der Wahl sei nicht gegeben, wenn auf den Wahllisten vor allem Männer stünden.
«Tolle Frauen wählen auch die Männer»
Mit Frank A. Meyer hingegen freute sich ein bekannter Kommentator in der Boulevard-Zeitung «Blick»: «Es war ein sehr sonniger Tag für die Demokratie und die Freiheit». Der Kommentar von Meyer ist ein Musterbeispiel für Quotengegner, die wenig Sachkenntnis haben, aber davon sehr überzeugt sind.
- Meyer sagt, mit Quoten für Wahllisten wolle man ein gewünschtes «Resultat» erzielen. Eine freie Gesellschaft basiere jedoch nicht darauf, Besitzstand von Gruppen zu sichern.
Allerdings: Quoten für Wahllisten sind nicht dasselbe wie Ergebnisquoten, die Frauen eine bestimmte Anzahl Sitze im Parlament reservieren. Wahllisten mit Frauenquote können kein gewünschtes Resultat erzielen. Im Extremfall könnten trotz einer Frauenquote nur Männer gewählt werden. - Eine Frauenquote sei ein «Präjudiz», sagt Meyer. Dann könne man auch eine Quote für Migranten, Transsexuelle, Homosexuelle, Diverse, Unternehmer und Gewerkschafter fordern. Wenn man alle diese Quoten erfüllen müsse, habe man kommunistische Verhältnisse und wähle nur noch «pro forma».
Forderungen von Frauen mit Verweis auf andere gesellschaftliche Gruppen zu relativieren ist eine alte Taktik, um sie abzuservieren. - Meyer schiebt einer «feministisch-genderistischen Schicht» von Frauen die Schuld zu, dass zu wenig Frauen gewählt werden. «Da stimmt bei den Frauen, die politisieren etwas nicht. Offenbar haben die zu wenig zu tun mit den ganz einfachen Frauen, die ja Frauen wählen sollten.» Diese «elitäre Schicht von Frauen» habe mit der Verkäuferin im Supermarkt nichts zu tun. Wenn dies der Fall wäre, gäbe es unter den Gewählten vielleicht 60 Prozent Frauen. «Gegen das kann ich ja gar nichts haben.»
Frauen die Schuld zuzuschieben und ihnen Ratschläge zu erteilen ist bequemer als Strukturen zu hinterfragen, die Männer nach wie vor begünstigen. Politiker sind wohl kaum weniger elitär als Politikerinnen und werden trotzdem eher gewählt. Zudem benutzt Meyer mit «genderistisch» nicht zum ersten Mal ein Schlagwort rechter Populisten. - Schliesslich brüstet Meyer sich mit der letzten Wahl in der Schweiz. Im Nationalrat gebe es jetzt ohne Paritätsgesetz 42 Prozent Frauen. «Da gibt es Frauen, die sind einfach toll und die wählt man. Die wählen auch die Männer.» Vor einigen Jahren habe die Schweiz sogar eine mehrheitlich weibliche Regierung gehabt. «Das ist bei uns ganz normal, das ergibt sich halt, das ist ja das Tolle.»
Doch tatsächlich ergibt sich nichts einfach von selber: Nur dank eines Grosseinsatzes engagierter Frauen ist der Frauenanteil bei den Parlamentswahlen markant gestiegen. Er liegt allerdings immer noch unter 50 Prozent. Eine Mehrheit in der Regierung gab es nur während eines einzigen Jahres und das ist bald zehn Jahre her.
Frauenquoten sind wirkungsvoll
Quoten sind in der Politik nichts Neues, insbesondere in der mehrsprachigen Schweiz, wo zum Beispiel die Sprachregionen in der Regierung vertreten sein müssen. Der Schweizer Meyer müsste das eigentlich wissen. Für die Interparlamentarische Union (IPU) sind Frauenquoten ein wichtiger Grund dafür, dass die Frauenanteile in den nationalen Parlamenten in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind. Quotenregelungen gebe es weltweit mittlerweile in über 80 Ländern, teilte die IPU Anfang dieses Jahres mit. In Europa hat Frankreich im Jahr 2000 als erstes Land eine verpflichtende 50-Prozent-Quote für Wahllisten eingeführt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine