Schweden macht Schluss mit feministischer Aussenpolitik
«Wir werden keine feministische Aussenpolitik betreiben», erklärte der neue schwedische Aussenminister Tobias Billström von der konservativen Moderaten Sammlungspartei nach den Koalitionsverhandlungen. Es gehe in der Aussenpolitik um schwedische Interessen und schwedische Werte. Er kündigte an, die Ressourcen für Gleichstellungsarbeit im Ausland zu kürzen. Auf der Webseite der Regierung sind die Erklärungen und Dokumente zur feministischen Aussenpolitik laut der Nachrichtenagentur AFP bereits gelöscht.
«Zurück zum harten Kern der Aussenpolitik»
Die neue Regierung aus Moderaten, Christdemokraten und Liberalen wird von den rechtsradikalen Schwedendemokraten toleriert. Diese haben zwar keine Ministerposten erhalten, bestimmen aber inhaltlich die Regierungspolitik mit. Das haben sie bei der feministischen Aussenpolitik nun offenbar rasch getan. Für Diana Janse, frühere schwedische Botschafterin in Mali und heute Senior Fellow beim aussenpolitischen Think-Tank «Frivärld», ist nicht die Gleichstellungspolitik an sich das Problem, sondern die begrenzten Ressourcen. Sie kritisierte in der Boulevardzeitung «Expressen», dass die feministische Aussenpolitik im Aussenministerium und in den Botschaften zu viele Ressourcen für ihrer Ansicht nach «irrelevante» Arbeiten wie geschlechtergerecht formulierte Texte und Geschlechterparität bei Empfängen gebunden habe. Das habe Schwedens Handlungsfähigkeit in einer sicherheitspolitisch zunehmend gefährlicheren Zeit geschwächt. Die neue Regierung müsse zurück zum «harten Kern der Aussen- und Sicherheitspolitik».
«Von mehr Gleichberechtigung profitieren alle»
Die bisherige Aussenministerin Ann Linde entgegnete im «Expressen», dass Gleichstellungsarbeit nicht «irrelevant» sei, wie Janse behaupte. Linde kritisiert, dass die neue Regierung die geleistete Arbeit für Frauen und Mädchen aufgeben will. Millionen Frauen weltweit hätten davon profitiert, dass Schweden beispielsweise Mittel für sichere Abtreibungen, Verhütung und Sexualerziehung zur Verfügung stellte. Feministische Aussenpolitik priorisiere Gleichstellungsarbeit. Gesellschaften mit grösserer Gleichberechtigung seien friedlicher und der Wohlstand höher. Das erhöhe die Sicherheit: «Von mehr Gleichberechtigung profitieren alle.» Doch Gleichstellung komme nicht von selber.
«Die Rechtsparteien werden das meiste fortsetzen»
Weniger pessimistisch ist die frühere schwedische Aussenministerin Margot Wallström, die feministische Aussenpolitik 2014 eingeführte. Ziel sei es, die systematische Diskriminierung von Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt zu beenden, sagte Wallström im Interview mit dem «Global Observatory» des unabhängigen Internationalen Friedensinstituts (IPI). Längerfristig trage mehr Gleichberechtigung zu Frieden, Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung bei. Die feministische Aussenpolitik von Schweden habe strukturell viel verändert. «Auch wenn die Rechtsparteien den Begriff hassen, werden sie das meiste davon fortsetzen.»
Ressourcen nicht nur für das Militär
Feministische Aussenpolitik definiere Sicherheit umfassender und für einen längeren Zeitraum, damit auch Kinder und Enkelkinder in Sicherheit leben können, sagt Wallström. Am Beispiel des Krieges in der Ukraine heisse dies beispielsweise, dass die einzelnen Länder trotz der militärischen Aufrüstung an multilateralen Vereinbarungen zur Waffenkontrolle festhalten sollten. «Wir müssen dafür sorgen, dass wir gemeinsam eine Zukunft haben.» Und die Ressourcen dürften nicht nur in die Militärbudgets fliessen. Die Klimakrise beispielsweise werde zu Konflikten führen, wenn man jetzt kein Geld investiere.
Frauen am Verhandlungstisch
Die Ergebnisse von Friedensverhandlungen sind nachhaltiger, wenn Frauen beteiligt sind. Es sei deshalb auch ein Ziel feministischer Aussenpolitik, dass Frauen an Friedensverhandlungen teilnehmen, sagt Wallström. In Krisensituationen seien die Stimmen der Frauen oft die Stimmen der Vernunft. «Es ist nicht unbedingt eine ‘bessere’ Perspektive, es ist eine andere Perspektive.» Beispiel Kolumbien: Es seien Frauen gewesen, die als Erste gesagt haben, dass ein Frieden ohne Landreform nicht möglich sei. Guerilla-Kämpfer und Soldaten hätten sonst keine Perspektive.
Rechtshilfe für Frauen in Kriegsgebieten
Frauen selber brauchen in Kriegsgebieten neben akuter Hilfe und medizinischer Versorgung vor allem auch Zugang zur Justiz, sagt Wallström. Frauen müssen wissen, dass sie Wiedergutmachung erhalten können. Die internationale Gemeinschaft müsse deshalb in Kriegs- und Krisengebieten rasch ein Rechtshilfesystem für Frauen einrichten. Das habe beispielsweise im Bosnienkrieg gefehlt. «Auch 30 Jahre später zittern Frauen, wenn sie über die erlittene Gewalt sprechen.» Viele Betroffene hätten damals keinen Zugang zur Justiz gehabt. Sie müssten deshalb mit dem Gefühl leben, dass die Täter ungeschoren davongekommen sind.