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Im Tessin auch für Touristinnen verboten: Nikab (links) und Burka (rechts). © EB

«Burka-Verbot ohne Biss»

fs /  Der Kanton Tessin beschliesst saftige Bussen für Burka- und Nikab-Trägerinnen. Ob das Verbot durchgesetzt wird, scheint fraglich.

Es war eine Schweizer Première, als die Stimmberechtigten des Kantons Tessin vor zwei Jahren einem Vermummungs-Verbot grundsätzlich zustimmten. Jetzt hat das Parlament das konkrete Gesetz verabschiedet. Es sieht Geldbussen von maximal 10’000 Franken (9400 Euro) vor. Die Pflicht, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen, soll das Prinzip der Freiheit und der gesellschaftlichen Integration verdeutlichen, sagte die freisinnige Abgeordnete Natalia Ferrara Micocci. Es gehe um Bürgerrechte, die für alle gelten, auch für Touristinnen.
Kein einheitlicher Vollzug
Die Tourismusbranche hatte eine Ausnahmeregelung für Touristinnen gefordert. Sie befürchtet Umsatzeinbussen und einen Imageschaden. Das Tessin könnte bei zahlungskräftigen muslimischen Touristinnen, die vor allem aus Saudiarabien kommen, in Verruf geraten. Das Parlament hatte dafür kein Gehör. Allerdings wollte es auch von einem einheitlichen Vollzug nichts wissen. So lehnte es einen SP-Vorschlag ab, der den Vollzug den kantonalen Behörden übertragen wollte. Nun sind die Gemeindebehörden zuständig. Das könne zu einer uneinheitlichen Umsetzung führen, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Die am meisten betroffene Stadt Lugano könnte Burka (Ganzkörperverhüllung ohne Sehschlitz) oder Nikab (Ganzkörperverhüllung mit Sehschlitz) bei Touristinnen tolerieren. «Dann wäre das Burka-Verbot ohne Biss.»
Auseinandersetzungen bei Kontrollen
Frankreich bestraft seit 2011 Burka-Trägerinnen mit einer Busse von 150 Euro (158 Franken). Medien berichten, dass es bei Kontrollen immer wieder Auseinandersetzungen mit den betroffenen Frauen und ihren Ehemännern gibt. In einem Grundsatzurteil zu einer Klage aus Frankreich hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte letztes Jahr fest, dass ein Burka-Verbot mit der Menschenrechtskonvention vereinbar ist.
In der Schweiz verlangt die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ein landesweites Burka-Verbot nach Tessiner Vorbild. Das rechtsbürgerliche «Egerkinger Komitee» hat im Herbst die Initiative lanciert. Wenn es die nötigen 100’000 Unterschriften sammelt, kommt es zu einer Volksabstimmung.
In Deutschland hat die CSU auf ihrem Parteitag kürzlich ein bundesweites Burka- und Nikab-Verbot verlangt. «Es passt nicht in unsere Kultur, sich zu verbergen – und es widerspricht unserer Vorstellung von der Gleichstellung der Frau», sagte Ilse Aigner, Bayerns Wirtschaftsministerin, der «Welt». Sie erwarte, dass sich auch arabische Touristinnen an diese Vorgabe halten müssten. «Als ich in den Iran gereist bin, habe ich die Gebote des Landes befolgt und ein Kopftuch getragen. Ebenso erwarte ich von Frauen aus dem arabischen Raum, dass sie hierzulande auf die Vollverschleierung verzichten.»

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