Der Mann hat Vorrang
Bei heterosexuellen Ehepaaren richtet sich die Steuererklärung in vielen Kantonen an den Mann. So wird im Kanton Bern die Frau an zweiter Stelle aufgeführt, auch wenn sie mehr verdient als der Mann oder das Familieneinkommen allein erwirtschaftet. Allfällige Rückzahlungen von zu viel bezahlten Steuern gehen auf das Konto des Mannes oder auf ein gemeinsames Konto. Die Verwaltung akzeptiert ein Konto der Frau für Rückzahlungen selbst dann nicht, wenn die Frau die Steuern allein bezahlt. Im Konfliktfall kann es deshalb sein, dass die Ehefrau keinen Zugang mehr hat zum gemeinsamen Steuerguthaben. Ein Ehepaar zieht jetzt den Kanton wegen verfassungswidriger Diskriminierung vor Gericht, wie die «SonntagsZeitung» berichtete.
«Spiegelbild patriarchaler Gesellschaft»
«Die Frau bezahlt die Steuern, der Mann erhält das Geld zurück. Diese Steuererklärung ist ein Spiegelbild einer patriarchalischen Gesellschaft, die wir überwunden glaubten», sagt das Ehepaar. Mit Eingaben und Rekursen kämpfen die beiden seit Jahren für ein geschlechtsneutrales Vorgehen. Vergeblich: Die Steuerverwaltung behauptet, dass Änderungen aus technischen Gründen nicht möglich seien.
Praxis bei gleichgeschlechtlichen Paaren
Jetzt klagt das Ehepaar vor Verwaltungsgericht gegen den Kanton. Die Klage begründet es mit dem Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung. Die beiden fordern geschlechtsneutrale Formulare. Und heterosexuelle Ehepaare sollen selber bestimmen können, wer die Ansprechperson für die Steuerverwaltung ist.
Das wäre nichts Neues: Es ist die Praxis bei gleichgeschlechtlichen Paaren in registrierter Partnerschaft. Technische Probleme scheint es also keine zu geben.
Änderungen auf die lange Bank geschoben
Auch in Deutschland hat der Mann in den Steuerformularen Vorrang. Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen sagte im letzten Herbst zu NEON.de, das IT-System der Finanzämter brauche dringend ein Update: «Die veralteten Steuerformulare sind bezeichnend dafür, wie tief sich die Logik des Patriarchats in die Strukturen unseres Systems eingebrannt hat.» Das Bundesfinanzministerium kündigte damals gendergerechte Vordrucke und Bescheide frühestens ab dem Veranlagungszeitraum 2021 an. Für die Umstellung brauche es «tiefgreifende Eingriffe in die Programmarchitektur».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine