Im Corona-Beirat ist nur eine einzige Frau
Die Corona-Krise offenbart ein Bild, das Frauen Angst und Bange machen müsste. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen Politiker, Ärzte, Virologen, Ökonomen und andere Fachmänner, die verordnen, einordnen und erklären. Auch Zivilschutz und Militär, die jetzt zum Einsatz kommen, sind männlich geprägt. In der Politik gibt es zwar auch Frauen, doch die Wortführer sind mehrheitlich Männer.
Männer beraten Männer
Auch die Berater der Entscheidungsträger sind hauptsächlich Männer. In der Schweiz berät die «Swiss National COVID-19 Science Task Force» die Regierung. Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium besteht aus Expertengruppen und einem koordinierenden «Advisory Panel». Unter den 7 Mitgliedern dieses Beirates ist eine einzige Frau. Unter den 10 Vorsitzenden der Expertengruppen sind nur drei Frauen. In Deutschland hat kürzlich die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) Empfehlungen zur Wiederaufnahme des gesellschaftlichen Lebens nach der Corona-Krise gemacht. Es überrascht aus Frauensicht nicht wirklich, dass in diesem Beirat von 26 Experten nur zwei Frauen sind.
Fehlende Vielfalt
Der tiefe Frauenanteil der Leopoldina sorgte in Deutschland für Diskussionen. Bei der Zusammensetzung von Expertengruppen gehe es um Kompetenz und nicht um das Geschlecht, hiess es in sozialen Medien. Diese Argumentation kommt Frauen von der Quotendiskussion bekannt vor. Wie bei den Quoten geht es auch bei Corona tatsächlich nicht in erster Linie um das Geschlecht, aber um Vielfalt. Auch Wissenschaftler sind von ihrer Umgebung und Sozialisierung geprägt. Wenn die Mitglieder einer Expertengruppe mehrheitlich ähnliche Erfahrungen gemacht haben, besprechen sie auch eher Themen, die ihnen nahe liegen. Andere Themen bleiben aussen vor, weil innerhalb der Gruppe niemand auf sie aufmerksam macht. Das hat Folgen.
Rückfall in traditionelle Rollenbilder
Mehr Frauen in den Beratungsgremien hätten wahrscheinlich dazu geführt, dass die unbezahlte Arbeit, die mehrheitlich Frauen erledigen, in der Corona-Krise mehr Aufmerksamkeit erhalten hätte. Beispiel Kinderbetreuung: Experten und Politik scheinen davon auszugehen, dass irgend jemand die Kinder auf eigene Kosten betreut, wenn die Schulen geschlossen sind und die Grosseltern ausfallen. Mona Küppers, Vorsitzende des Dachverbandes Deutscher Frauenrat, sprach Klartext: Es sind vor allem erwerbstätige Mütter, die beruflich zurückstecken. Sie arbeiten meist bereits in Teilzeit und verdienen weniger. Küppers fordert deshalb mehr Notfallbetreuungsangebote für Kinder, insbesondere auch für Kinder von Alleinerziehenden. Und es brauche eine Lohnersatzleistung für diejenigen, die wegen der Schliessungen von Schulen (und in Deutschland auch der Kitas) Lohnausfälle in Kauf nehmen müssen. Sonst drohe ein Rückfall in die traditionellen Rollenbilder der fünfziger Jahre: «Indem sie Familien mit der Betreuungsfrage alleine lassen, konterkarieren die Verantwortlichen in der Corona-Krise alle Bemühungen der vergangenen Jahre zu besserer Vereinbarkeit von Familie mit Beruf und höherer Müttererwerbstätigkeit.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine