Auch Frauen demonstrieren für einen palästinensischen Hamas-Staat, obwohl die fundamentalistische Hamas Frauenrechte mit Füssen tritt. © srf

Wie können westliche Frauen für die Hamas demonstrieren?

Urs P. Gasche /  Es ist nachvollziehbar, gegen Israels Politik zu demonstrieren. Unverständlich ist, wenn sich Frauen für die Hamas einsetzen.

Wer die Vernichtungspolitik der israelischen Regierung mit Präsident Benjamin Netanyahu ablehnt, kann sich gegen die Politik Israels wenden, ohne die Hamas oder den palästinensischen Hamas-Staat zu unterstützen. Es fällt auf, dass manche Frauen sich direkt oder indirekt mit der Hamas solidarisieren, obwohl sie wissen müssen, dass die fundamentalistische Hamas Frauenrechte mit Füssen tritt.
«Verstehen diese gebildeten Töchter des Wohlstands eigentlich, dass sie, wenn sie in Gaza, Teheran oder Kabul eine abweichende Meinung äussern oder wenn sie gar verkünden, dass sie ‹queer› oder ‹gay› sind, auf der Stelle Opfer eines ‹Ehrenmordes› würden?» Das fragte Phyllis Chesler am 8. Oktober in der «Emma».

Die Frauen unter der fundamentalistischen Hamas
Die Hamas stützt sich auf religiöse, politische und soziale Normen, welche die Frauen schwer diskriminieren. Die islamistische Ideologie schränkt das Leben der Frauen stark ein. 
Die gesetzlichen Vorgaben, die Frauen im Gazastreifen diskriminieren, sind stark durch die islamische Scharia sowie durch spezifische Regelungen der Hamas geprägt, die seit ihrer Machtübernahme 2007 das Gebiet regiert. Diese Vorgaben betreffen vor allem das Familienrecht, die Bewegungsfreiheit, die Bildungs- und Berufschancen sowie die öffentliche Ordnung. 

Im Folgenden einige der zentralen gesetzlichen Vorschriften und gesellschaftlichen Normen, die Frauen benachteiligen:

1. Scharia-basiertes Familienrecht
Das Familienrecht im Gazastreifen basiert auf der Scharia, welche in mehreren Aspekten die Rechte der Frauen gegenüber denen der Männer einschränkt:
– Ehe und Scheidung: Ein Mann kann die Ehe einseitig beenden, indem er die Scheidung (Talaq) ausspricht, während Frauen oft kompliziertere rechtliche Verfahren durchlaufen müssen, um sich scheiden zu lassen. Frauen müssen zudem oft finanzielle Ansprüche aufgeben, um eine Scheidung zu erhalten.
– Sorgerecht: Im Fall einer Scheidung erhält der Vater oft das gesetzliche Vormundschaftsrecht über die Kinder, insbesondere über Söhne, sobald diese ein bestimmtes Alter erreicht haben. Mütter dürfen in der Regel das Kind nur bis zu einem bestimmten Alter betreuen, bevor es dem Vater zugesprochen wird.
– Erbrecht: Frauen erhalten nach den Vorschriften der Scharia in der Regel nur die Hälfte dessen, was Männer erben. Eine Tochter erbt beispielsweise die Hälfte des Anteils eines Sohnes. Dies gilt auch für andere verwandtschaftliche Beziehungen.

2. Ausgeh- und Reisevorschriften
Obwohl es im Gazastreifen keine formalisierte gesetzliche Vorschrift zur Vormundschaft gibt, wie es sie beispielsweise in Saudi-Arabien gibt, existieren dennoch de facto Vorschriften, die Frauen in Abhängigkeit von männlichen Verwandten halten.
– Ausgehen: Das unbegleitete Flanieren unverheirateter Paare ist verboten. Eine spezielle Frauenpolizei überwacht die Einhaltung der Vorschriften.
– Reisen: Frauen, besonders jüngere Frauen, benötigen häufig die Zustimmung eines männlichen Verwandten (Vater, Bruder oder Ehemann), um den Gazastreifen zu verlassen. Diese Einschränkungen wurden durch die restriktive Politik der Hamas und die Kontrolle der Grenzen verstärkt.

3. Kleidervorschriften und öffentliche Ordnung
– Kopftuchpflicht: Die Hamas setzt die Einhaltung strenger islamischer Kleidervorschriften durch, insbesondere das Tragen des Hijabs (Kopftuch) und einer konservativen Kleidung in der Öffentlichkeit. Frauen, die sich nicht an diese Vorschriften halten, können von den Behörden und der Sittenpolizei verwarnt oder bestraft werden. 
– Geschlechtertrennung: In vielen öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Universitäten und Freizeiteinrichtungen wird eine strikte Geschlechtertrennung durchgesetzt. Dies schränkt Frauen sowohl im Bildungsbereich als auch in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe ein.

4. Gesetze zur öffentlichen Moral»
Die Hamas führte ausserdem Gesetze zur «öffentlichen Moral» ein, die Frauen besonders betreffen. Diese Gesetze beinhalten Vorschriften über das Verhalten von Frauen in der Öffentlichkeit, die Art der sozialen Interaktion zwischen den Geschlechtern und die Einhaltung religiöser Normen.
Lehrer dürfen nur Jungen unterrichten, Lehrerinnen nur Mädchen. 
Ein Militärgesetzbuch sieht harte Strafen für gleichgeschlechtliche Liebe vor: 100 Peitschenhiebe und bis zu einem Jahr Haft für Geschlechtsverkehr. Bei mehreren Partnern oder Partnerinnen drohen zusätzlich bis zu sieben Jahre Haft.

5. Einschränkungen im Arbeits- und Bildungsbereich
– Begrenzte Berufschancen: Obwohl Frauen im Gazastreifen theoretisch Zugang zu Bildung und Arbeit haben, sind sie in der Praxis oft in traditionellen Rollen gefangen. In öffentlichen Institutionen oder in höheren Positionen gibt es nur sehr wenige Frauen, da die Hamas eine konservative Vorstellung von Geschlechterrollen fördert.
– Sozialer Druck: Frauen, die Berufe ergreifen, die als «unweiblich» gelten oder die eine aktive Rolle in der Politik spielen wollen, sehen sich häufig starkem sozialen Druck ausgesetzt. Das schränkt ihre Karrierechancen und ihre öffentliche Präsenz stark ein.

6. Politische Unterdrückung
Frauen sind in der Politik stark unterrepräsentiert. Obwohl es keine expliziten gesetzlichen Vorgaben gibt, die ihre politische Teilhabe verbieten, behindern strukturelle und soziale Hürden ihre politische Beteiligung. Die Hamas fördert eine patriarchalische Auslegung des Islams, die Frauen von politischen Machtpositionen fernhält und ihre Teilnahme am öffentlichen Leben auf ein Minimum beschränkt.

Alle diese rechtlichen Vorgaben und sozialen Normen verwendet die Hamas, um ihre konservative und religiöse Ideologie durchzusetzen. Sie drängen Frauen in eine untergeordnete Rolle und entziehen ihnen grundlegende Rechte wie die freie Wahl in der Ehe, die Bewegungsfreiheit und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf infosperber.ch

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