Männer-Netzwerk attackiert «aus Spass» Frauen
Die geschlossene Facebook-Gruppe «Ligue du LOL», der hauptsächlich Männer angehören, soll seit 2009 Attacken vor allem auf Frauen geplant und durchgeführt haben. LOL ist ein Begriff aus dem Netz, der soviel heisst wie «laut lachen» (laughing out loud). Die schätzungsweise 30 Mitglieder der Gruppe waren keine abgehängten Nerds, sondern überwiegend junge Intellektuelle aus Frankreichs Medien- und Werbebranche. Hauptziele der Gruppe waren feministische Journalistinnen und Aktivistinnen aus dem Raum Paris. Die Männer attackierten und bedrohten sie unter anderem über anonyme Twitter-Accounts und mit Telefonterror. Aufgedeckt hat das Netzwerk die Tageszeitung «Libération». Zahlreiche Opfer machten in der Folge ihre Erfahrungen öffentlich.
Täter riet Opfer von Anzeige ab
Vincent Glad, freier Mitarbeiter der «Libération», hatte die Gruppe vor zehn Jahren gegründet. Eine der attackierten Frauen ist Daphné Burki, die heute beim TV-Sender France 2 arbeitet. Sie sagte dem Nachrichtenmagazin «L’Obs», sie sei 2012 massiv online angegriffen worden und habe auch Morddrohungen erhalten. Burki vertraute sich ihrem damaligen Kollegen Vincent Glad an. Dieser sagte ihr, Anzeige zu erstatten bringe nichts. Trolle seien die Regel. Burki: «Heute weiss ich, weshalb er mir das gesagt hat. Ich hätte Anzeige erstatten sollen.» Die Wissenschaftsjournalistin Florence Porcel erhielt demütigende pornografische Fotomontagen. Doch damit nicht genug: Ein Mitglied des Netzwerkes rief sie an und liess Porcel glauben, sie spreche mit dem Chef eines renommierten Magazins. Der Anrufer David Doucet veröffentlichte das Telefonat, um Parcel blosszustellen. Doucet ist mittlerweile Online-Chefredaktor einer Kulturzeitschrift. Er habe sich jetzt bei ihr entschuldigt, sagt Porcel. Doch sie sei nicht bereit zu entschuldigen und erwäge, Anzeige zu erstatten. Cybermobbing ist in Frankreich zwar eine Straftat. Doch die Attacken der «Ligue du LOL» sind vermutlich zum grossen Teil bereits verjährt.
Halbbatzige Entschuldigung
Vincent Glad entschuldigte sich auf Twitter, relativierte allerdings die Taten. Man habe nur über andere lästern und «Spass» haben wollen. Doch wegen der hohen Followerzahlen der «Ligue du LOL» wurden die Konten der Zielpersonen rasch mit Hassbotschaften geflutet. «Ich fühlte mich, als würde ich vor Scharfschützen davonlaufen», twitterte eine Feministin. Glad: «Wir haben nicht bedacht, dass das für die Zielpersonen die Hölle werden kann». Er realisiere erst jetzt, dass die Gruppe die ersten feministischen Stimmen in den sozialen Medien zum Schweigen gebracht habe. Heute schäme er sich für seine damaligen Tweets. Glad ist mittlerweile seinen Job bei der «Libération» los. Die Zeitung hat auch Online-Chef Alexandre Hervaud beurlaubt, der ebenfalls bei der «Ligue du LOL» mitgemacht hatte. Weitere Journalisten sind von ihren Arbeitgebern freigestellt worden, darunter David Doucet.
Kein Einzelfall
Das Netzwerk «Ligue du LOL» ist kein Einzelfall. «Le Monde» machte jetzt die Entlassung von drei Journalisten im letzten Jahr öffentlich. Diese hatten in einer privaten Gruppe, der rund 20 männliche Journalisten angehörten, im Messenger-Dienst Slack gesetzeswidrige frauenfeindliche, homophobe und rassistische Äusserungen gemacht. Und das Magazin «Vice France» gab bekannt, dass zehn Kadermänner in einer geschlossenen Nachrichtengruppe Witze und sexistische Bemerkungen über ihre Kolleginnen ausgetauscht haben.
Widerrede gegen Hasskommentare
In sozialen Medien grassieren Hassbotschaften gegen Frauen. Ziel der meisten Pöbler ist es, Frauen zum Schweigen zu bringen. In der Schweiz nimmt jetzt Alliance F, ein Dachverband von Frauenorganisationen, den Kampf dagegen auf. Ein Algorithmus soll in sozialen Medien und Online-Portalen von Medien Beschimpfungen aufspüren. Mehrere Hundert Freiwillige sollen dann darauf reagieren. Das Projekt wird von der öffentlichen Hand und von Privaten mit über einer Million Franken unterstützt. Projektleiterin Sophie Achermann: «Wir sind überzeugt, dass es eine Reaktion braucht, nur schon um anderen Lesern zu zeigen, dass solches Verhalten nicht salonfähig ist.»
In Deutschland entschärft die Gruppe #ichbinhier mit sachlichen Kommentaren Hassbeiträge auf Facebook.
In Österreich prangerten vor zwei Jahren renommierte Journalistinnen den Frauenhass im Netz an und forderten die Politik zum Handeln auf.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine