91’000 Au-pairs klagen wegen Ausbeutung
Die Kolumbianerin Johanna Paola Beltran kam 2011 als Au-pair in die USA. Zuvor hatte sie einer Au-pair-Agentur eine «Bearbeitungsgebühr» von 2500 US-Dollar zahlen müssen (2000 Euro, 2300 Franken). In ihrer US-Gastfamilie musste die junge Frau nicht nur wie vereinbart 45 Stunden pro Woche Kinder hüten, sondern zusätzlich als billige Arbeitskraft auf dem Bauernhof arbeiten, kochen, waschen und putzen. Sie erhielt 4,35 Dollar (3,50 Euro, 4 Franken) pro Stunde, was deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn ist, der je nach US-Bundesstaat zwischen 7 und 15 US-Dollar liegt (12 Euro, 14 Franken). Schlafen musste sie im Keller und sich von Essensresten ernähren. Beltran: «Meine Gastfamilie hat mich wie eine Magd behandelt.»
15 Agenturen angeklagt
Sie beschwerte sich erfolglos bei ihrer Au-pair-Agentur. Mit Unterstützung der gemeinnützigen Organisation «Towards Justice» konnte Beltran Klage einreichen. Dieser Klage haben sich mittlerweile über 91’000 frühere und aktuelle Au-pairs angeschlossen. Jetzt hat eine Bundesrichterin ihre Klage als Sammelklage akzeptiert. Angeklagt sind insgesamt 15 Au-pair-Agenturen. Diese Agenturen haben von der US-Regierung eine Lizenz und kontrollieren deshalb den Markt, sagte Nina DiSalvo, Geschäftsführerin von «Towards Justice», gegenüber «Bloomberg BusinessWeek».
Niedriglöhne abgesprochen
Der Vorwurf in der Anklageschrift lautet, dass die Au-pair-Agenturen die gesetzlichen Mindestlöhne nicht einhalten und untereinander die Tiefstlöhne abgesprochen haben. Das habe nichts mehr mit der ursprünglichen Idee eines Kulturaustausches zu tun. Ein regulärer Babysitter koste mittlerweile zwischen 12 und 25 Dollar (20 Euro, 23 Franken) die Stunde. Die Klägerinnen fordern Schaden- und Lohnersatzzahlungen.
Taschengeld
Klagen von Au-pairs wegen Ausbeutung sind vor US-Gerichten seit einigen Jahren hängig. In Stellungnahmen zu diesen Verfahren weisen die beschuldigten Agenturen die Anschuldigungen zurück und warnen, die Klagen gefährdeten das ganze Au-pair-System. Au-pair-Mädchen erhielten keinen Lohn, sondern ein Taschengeld, da sie ja Essen und Unterkunft gratis bekommen. Den mageren Lohn habe das US-Aussenministerium festgelegt, das für das Austauschprogramm verantwortlich und damit der eigentliche Arbeitgeber der Au-pairs sei. Dem widersprach das US-Aussenministerium, das in keinem Verfahren angeklagt ist. Die Agenturen müssten alle Gesetze befolgen, auch die Verordnungen zum Mindestlohn der einzelnen Bundesstaaten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine