Tieferer Frauenlohn: «Das nennt man Kapitalismus»
In Deutschland dürfen Frauen und Männer nicht aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich bezahlt werden. Lohnklagen sind jedoch selten, da Betroffene eine Diskriminierung beweisen müssen. Die renommierte Journalistin Birte Meier gehört zu den bisher wenigen Klägerinnen. Sie ist seit zehn Jahren feste freie Mitarbeiterin des ZDF-Magazins «Frontal 21». Zufällig hatte sie herausgefunden, dass sie deutlich weniger verdient als männliche Kollegen. Ihre Forderung nach einem höheren Lohn lehnte das ZDF ab. Es bot der Reporterin einen Vergleich an, wenn sie den Sender verlässt. Das lehnte Birte Meier ab und klagte wegen Diskriminierung.
Fehlende Beweise
Das Arbeitsgericht Berlin hat ihre Klage in erster Instanz abgelehnt, berichtet die Berliner Zeitung. Die Klägerin habe eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes nicht beweisen können. Die Gruppen männlicher Kollegen, mit denen die Klägerin ihren Lohn verglich, seien beim ZDF fest angestellt. Sie hingegen sei «feste Freie». Ihre Arbeitsbedingungen sind praktisch identisch mit denen von fest Angestellten. Nur erhält sie statt eines Festgehalts ein Honorar. Deshalb könne sie sich nicht mit fest angestellten Kollegen vergleichen, urteilte das Arbeitsgericht (Aktenzeichen 56 Ca 5356/15). Die Journalistin will gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.
Richter belehrt die «Damen auf den billigen Plätzen»
Die Anwälte der Journalistin hatten argumentiert, laut europäischer Rechtsprechung müssten einzig die reinen Tätigkeiten verglichen werden. Der Vorsitzende Richter Michael Ernst meinte in der mündlichen Verhandlung, das verstosse gegen die Vertragsfreiheit. Es könne ja sein, dass die Kollegen schlicht besser über ihren Lohn verhandelt hätten. «Das nennt man Kapitalismus.» Auch Schwangerschaften könnten ein Grund für die geringere Bezahlung von Frauen sein. Als Zuhörerinnen im Saal protestierten, belehrte er die «Damen auf den billigen Plätzen», es gebe nicht nur «schwarz und weiss». Einen Befangenheitsantrag stellten die Anwälte nach eigenen Angaben nur deshalb nicht, um schneller vor die nächste Instanz zu kommen.
«Falsches Signal»
Frauenverbände kritisierten das Urteil als falsches Signal. Für Frauen, die gegen eine Lohndiskriminierung vorgehen wollen, sei es abschreckend. Ramona Pisal, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb), sagte, dieses Urteil zeige, auf welche Schwierigkeiten Frauen stossen, wenn sie die Lohngleichheit durchsetzen wollen. Man müsse Birte Meier dankbar sein, dass sie den vom ZDF angebotenen Vergleich abgelehnt habe. «Wir werden Entgeltgleichheit für Frauen leider nur erreichen, wenn sich Betroffene wehren und den Gang durch die Instanzen nicht scheuen – ein risikoreicher Weg jedoch, wie das Urteil zeigt.»
Uta Zech, Präsidentin von Business and Professional Women (BPW) Germany, sagte, die Behauptung, die Ungleichheit liege am individuellen Verhandlungsgeschick sei mittlerweile widerlegt: «Hut ab vor dem Mut von Birte Meier! Sie verdient unseren Respekt und unsere Unterstützung.» Zuletzt hat der renommierte Ökonom Marcel Fratzscher das Argument widerlegt, dass Frauen selber schuld seien, wenn sie weniger verdienen.
In Deutschland soll das von der Bundesregierung vorgeschlagene «Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen» in Betrieben ab 200 Mitarbeitenden eine Lohntransparenz schaffen. Beschäftigte können Durchschnittslöhne des anderen Geschlechtes erfragen und dann allenfalls Klage erheben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine