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«Die männliche Form hat keinen Vorrang mehr», schreibt das Mädchen. © change.org

Lehrkräfte boykottieren männliche Sprachregel

fs /  In Frankreich wollen über 300 Lehrpersonen ihren Schülerinnen und Schülern nicht mehr lehren, dass die männliche Form in der Sprache Vorrang hat.

314 Lehrpersonen aller Schulstufen erklären in einem Manifest, dass sie die grammatikalische Regel «le masculin l’emporte sur le féminin» (die männliche Form hat Vorrang vor der weiblichen Form) ihren Schülerinnen und Schülern nicht mehr beibringen. Zur Begründung heisst es, die kritisierte Sprachregel stamme aus einer anderen Zeit und widerspreche heutigen Werten. Das Online-Magazin «Slate» hat das Manifest veröffentlicht.

Frauen sprachlich unterordnen
Ein Beispiel: Wenn zwanzig Frauen und ein Mann spazieren gehen, gilt die männliche Form «sont allés se promener». Wenn der Mann nicht mitgeht, gilt die weibliche Form «sont allées se promener». Die Regel habe es nicht immer gegeben, heisst es im Manifest. Sie sei im 17. Jahrhundert formuliert worden. Anlass für die Regel sei kein sprachlicher, sondern ein politischer gewesen. Es sei darum gegangen, Frauen sprachlich den Männern unterzuordnen. «Die männliche Form gilt als edler als die weibliche, weil der Mann der Frau überlegen ist», hiess es damals.

Kampf gegen Geschlechterklischees
Mit der Schulpflicht wurde die Regel seit dem 19. Jahrhundert zum Standard. Im Manifest heisst es, wenn man die Regel in den Schulen weiterhin lehre, zementiere man veraltete Geschlechterklischees. «Den Kampf gegen Geschlechterklischees, der für die tatsächliche Gleichstellung entscheidend ist, kann man nicht wirklich führen, wenn diese Regel nicht von den Schulen verbannt wird.»

Petition an Erziehungsminister
Mit einer Online-Petition fordern die Lehrkräfte Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer auf, die kritisierte Regel aus dem Sprachunterricht zu streichen. Die Petition haben schon fast 30’000 Personen unterzeichnet. Dazu gehören neben vielen Frauenrechtsaktivistinnen auch die früheren Frauenministerinnen Laurence Rossignol und Yvette Roudy und Charlie-Hebdo-Chefredaktor Gérard Biard. Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer hat der Forderung eine Absage erteilt. Die kritisierte Sprachregel sei sicher keine gute Regel. Aber die französische Sprache dürfe nicht für Auseinandersetzungen instrumentalisiert werden, auch wenn diese noch so berechtigt sind, sagte er dem «Figaro».


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