Sah1-1

Sabine Hark (TU Berlin) gehört zu den Gender-Forscherinnen, die Ulrich Kutschera diffamiert hat. © HU

«Gender-Forschung ist Pseudowissenschaft»

fs /  Gender-Forschung sei ein «Krebsgeschwür», sagt ein Professor. Die Universität in Deutschland reagierte erst auf eine Beschwerde.

Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe an der Universität Kassel, sagte in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen RBB-Inforadio, Gender-Forschung sei keine Wissenschaft. Es werde «vor sich hin theoretisiert». Gender-Forschung sei ein «Krebsgeschwür», eine «Pseudowissenschaft» und eine «quasi-religiöse Strömung».
«Feministische Sekte»
Naturwissenschaftler hingegen erforschen laut Kutschera «reale Dinge, die wirklich existieren. Unsere Theorien basieren auf Fakten.» So sei die Geschlechteridentität biologisch begründet und nicht durch gesellschaftliche Prägung. Die Gender-Forscherinnen würden die biologischen Grundlagen negieren. «Das ist eine feministische Sekte, die uns ihren Unsinn aufdrückt – und alle machen widerstandslos mit.»
Beschwerde der Asta
Das Interview mit Kutschera wurde bereits Anfang Juli gesendet. Die Universität reagierte erst, nachdem der Studierendenausschuss «Asta» sich beschwert hatte. Die Behauptungen Kutscheras seien «unhaltbare Unterstellungen, die dazu dienen, die Forschung zu diffamieren». Kutschera habe Kolleginnen beleidigt und ein klares Feindbild erzeugt. Er zementiere traditionelle Rollenbilder, weil er gesellschaftliche Dimensionen des Themas Geschlecht ausblende. In ihrer Antwort schrieb die Universität, sie werde mit Kutschera das Gespräch suchen. Sie wolle ihn an den Grundsatz erinnern, dass sich «alle Mitglieder der Hochschule» gegenseitig respektieren. Dazu gehöre auch der Respekt gegenüber anderen wissenschaftlichen Disziplinen.

Kontroverse um Natur und Kultur
In Deutschland ist Gender-Forschung nicht das erste Mal unter Beschuss. Letztes Jahr gab es Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen eine Forscherin und massive Drohungen gegen Kollegen, die sich mit ihr solidarisierten. Im Zentrum der Kontroverse um die Gender-Forschung steht die Frage, ob nur die Natur das Geschlecht prägt, oder auch der gesellschaftliche Kontext. Kutschera und andere Kritiker werfen der Gender-Forschung vor, die biologischen Grundlagen zu negieren. Sie sei keine Wissenschaft sondern eine Ideologie, welche die geschlechterlose Gesellschaft zum Ziel habe.
«Früher waren die Weiber schuld»
Die Gender-Forscherin Ilse Lenz entgegnete im «Tagesspiegel», die Kritik an der Gender-Forschung sei unwissenschaftlich. Diese stelle die Biologie nämlich gar nicht in Frage. Aber sie sehe die Biologie wie andere Wissenschaften im sozialen Umfeld. So würden seit jeher Macht, Chancen und Ressourcen über das Geschlecht verteilt. Geschlecht sei also ein entscheidendes Merkmal für soziale Ungleichheit. Den Kritikern wirft sie vor, nicht nur gegen die Gender-Forschung sondern generell gegen die Gleichstellung mobil zu machen. «Früher waren die Weiber schuld, dann war es der Feminismus und heute sind es Gender und die Gender-Forschung.» Die Philosophin Lilian Peter schrieb in «Spiegel Online», die wahren Ideologen seien die Kritiker der Gender-Forschung. Ihr einziges Argument heisse «Natur ist nicht aus Kultur ableitbar». Die Kritiker der Gender-Forschung könnten nicht akzeptieren, dass die jahrtausendealte männlich dominierte kulturelle Ordnung endlich hinterfragt werde.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581