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Die australischen Nationalspielerinnen fordern von der Fifa höhere Prämien. © thpfa

Fussballerinnen bleiben Bittstellerinnen

fs /  Die Frauen-WM war sportlich und finanziell ein Erfolg. Trotzdem müssen Fussballerinnen weiter um Anerkennung und höhere Prämien kämpfen.

Laut Gianni Infantino, Präsident des Fussball-Weltverbandes (Fifa), ist Chancengleichheit möglich, wenn die Frauen «uns Männer» überzeugen. Die norwegische Starspielerin Ada Hegerberg twitterte ironisch: «Arbeite gerade an einer kleinen Präsentation, um Männer zu überzeugen. Wer ist dabei?» 

Altväterische Funktionäre
Infantino ist mit seinem Altherren-Denken unter Fussball-Funktionären keine Ausnahme. Weltweit für Schlagzeilen sorgte kürzlich der spanische Verbandspräsident Luis Rubiales, der Weltmeisterin Jennifer Hermoso ungefragt auf den Mund küsste. Trainer und Funktionäre des Verbandes distanzierten sich erst von Rubiales, nachdem der öffentliche Druck gestiegen war und alle Weltmeisterinnen angekündigt hatten, nicht mehr für das Nationalteam spielen zu wollen. Diese Streikdrohung hat eine Vorgeschichte. Sie zeigt, dass es den Spielerinnen weniger um die Person und mehr um Strukturen geht, die Frauen diskriminieren.

Fussballerinnen boykottierten WM
Bereits vor der WM hatten mehrere Spielerinnen Nationaltrainer Jorge Vilda und schlechte Trainingsbedingungen kritisiert. Der spanische Fussballverband mit Präsident Rubiales an der Spitze wollte die Kritik nicht ernst nehmen und hielt am kritisierten Trainer fest, selbst als 15 Spielerinnen das Nationalteam deshalb boykottierten. Der Fussballverband warf ihnen Erpressung vor und forderte sie auf, sich zu entschuldigen. Drei Spielerinnen kehrten ins Team zurück. Zu ihnen gehörte Aitana Bonmatí, die als beste Spielerin der WM ausgezeichnet wurde. Sie bedankte sich nach dem WM-Sieg ausdrücklich bei den 12 Spielerinnen, die das Nationalteam boykottierten.

Auch die Vize-Weltmeisterinnen aus England kämpfen für Chancengleichheit. Die Verhandlungen mit ihrem Verband um Anerkennung, Chancengleichheit und höhere Prämien legten sie während der WM auf Eis. Die englische Interims-Kapitänin Millie Bright schrieb auf Social Media, die Spielerinnen seien enttäuscht, dass es vor der WM keine Einigung mit dem nationalen Verband über Prämien und Arbeitsbedingungen gab.

30 Jahre Kampf
Pionierinnen im Kampf um Anerkennung und Chancengleichheit sind die Nationalspielerinnen der USA, die vier von bisher neun Weltmeisterschaften gewannen und damit seit Jahrzehnten viel erfolgreicher sind als das US-Männerteam. Mitte der neunziger Jahre forderten die Fussballerinnen vom US-Fussballverband erstmals höhere Prämien. 1999 streikten sie für dieses Anliegen. In den USA warf man ihnen damals vor, gierig zu sein. 2016 reichten sie schliesslich Klage gegen den US-Fussballverband ein. Mit Erfolg: Letztes Jahr schlossen die Nationalspielerinnen einen aussergerichtlichen Vergleich über 24 Millionen US-Dollar. Dieser beinhaltet auch, dass sie die gleich hohen Prämien wie die Männer erhalten. Das sei ein Sieg gewesen, der mindestens so wertvoll war wie eine Trophäe, kommentierte die «New York Times». Der US-Fussballverband habe lange nicht begriffen, dass es den Fussballerinnen darum gehe, ernst genommen zu werden und ebenso professionelle Bedingungen wie die Männer zu haben. 

Die Frauen müssen «uns Männer» überzeugen
In der Kritik der Fussballerinnen steht auch die Fifa, weil deren Prämien viel tiefer sind als bei den Männern. So erhält das Team der Siegerinnen des diesjährigen Turniers 10,5 Millionen Dollar. Das Sieger-Team der Weltmeisterschaft der Männer in Katar erhielt Ende letzten Jahres 42 Millionen Dollar. Vor der Frauen-WM forderten die Australierinnen in einem Video von der Fifa mehr Anerkennung und Geld für die Leistungen der Fussballerinnen. Am Fifa-Frauenfussballkongress in Sydney machte Fifa-Präsident Infantino klar, dass er die Fifa nicht in der Pflicht sieht. Die nationalen Verbände sollen für bessere sportliche Rahmenbedingungen sorgen, die TV-Sender höhere Gebote für Übertragungen machen und die Fussballerinnen «uns Männer» überzeugen, sagte er. Frauen sind seiner Ansicht nach also die Bittstellerinnen. Und Männer können ihre Forderungen erfüllen – oder auch nicht.

Kinderbälle für die Frauen
Dieses Altherren-Denken hat im Fussball eine lange Tradition. In England, Deutschland und Österreich war es beispielsweise Frauen noch bis 1970 verboten, in Vereinen Fussball zu spielen. An der ersten Frauenfussball-Weltmeisterschaft 1991 in China dauerten die Spiele nur 80 statt der üblichen 90 Minuten. Die damalige US-Kapitänin April Heinrichs witzelte später: «Sie hatten Angst, dass unsere Eierstöcke herausfallen.» Kein Witz ist, dass die Herren der Fifa damals ernsthaft erwogen, die Frauen mit kleineren Kinderbällen spielen zu lassen.

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