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Laut dem Netzwerk «Stop Surrogacy Now» basiert das Leihmuttergeschäft auf «Menschenhandel im grossen Stil». © Av

Zuhälter haben Leihmütter rekrutiert

fs /  Mit falschen Versprechen lockten Menschenhändler junge Osteuropäerinnen nach Kreta. Dort mussten sie Babys austragen und Eizellen «spenden».

Eine kürzlich erfolgte Razzia in einer «Kinderwunschklinik» in Griechenland offenbarte, wie die Fortpflanzungsindustrie fette Gewinne auf dem Buckel verarmter Frauen macht. Bei der Razzia wurden der Klinikchef und acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgenommen. Ihnen wird unter anderem Menschenhandel, Körperverletzung, Kauf und Verkauf von Eizellen und Betrug vorgeworfen. Der Chef der staatlichen Aufsichtsbehörde wurde entlassen.

Geschäftsmodell Prostitution
Das Geschäftsmodell der Klinik ähnelte dem Geschäftsmodell der Prostitution: Laut dem öffentlich-rechtlichen griechischen Sender ERT beauftragte der Direktor und Gründer der Klinik Menschenhändler, junge Osteuropäerinnen aus ärmlichen Verhältnissen mit falschen Versprechen nach Griechenland zu locken. In der «Kinderwunschklinik» mussten sie in Unkenntnis der erheblichen gesundheitlichen Risiken Babys für Kaufeltern austragen und Eizellen «spenden». 

Minihonorare
Die Polizei traf bei der Razzia auf 30 Schwangere. Die Frauen aus Moldawien, der Ukraine, Georgien, Rumänien und Bulgarien stammen aus sehr armen Verhältnissen und seien mit falschen Versprechungen nach Kreta gelockt worden, zitierte die griechische Tageszeitung «Ta Nea» die Polizei. Sie seien in Wohnungen unter «erbärmlichen» Verhältnissen untergebracht und überwacht worden. Die eigentlich erforderliche richterliche Erlaubnis und medizinische Akten habe die Klinik gefälscht. Eine der Leihmütter sagte «Ta Nea», sie habe das Geld gebraucht und sei sich der Risiken nicht bewusst gewesen. Eine andere sagte: «Viele der Mädchen, mit denen ich zusammenlebte, waren mental gar nicht bereit für eine Schwangerschaft.» Laut griechischen Medien erhielten die meist sehr jungen Frauen zwischen 300 und 600 Euro im Monat. Für die künstliche Befruchtung oder Eizellen-«Spenden» mussten sie sich intensiven Hormonbehandlungen unterziehen. Über die gesundheitlichen Risiken seien sie nicht informiert worden. 

Maxigewinne
Für die Kaufeltern kostete ein Baby laut der griechischen Polizei 70’000 bis 100’000 Euro. Den Reingewinn für die Klinik bezifferte sie auf etwa 70 Prozent. Das sind 49’000 bis 70’000 Euro pro Baby. Leihmutterschaft ist in Griechenland aus «altruistischen» Motiven erlaubt, wenn die Beteiligten beispielsweise verwandt sind. Eine Leihmutter darf eine «Aufwandsentschädigung» von maximal 10’000 Euro erhalten. Zudem muss eine richterliche Erlaubnis vorliegen. Damit wollte der Gesetzgeber eine Kommerzialisierung verhindern. Seit 2014 dürfen auch Ausländer Leihmütter in Griechenland engagieren. 

Lobby für Leihmutterschaft
Leihmutterschaft ist in den deutschsprachigen Ländern verboten. Seit Jahren versucht deshalb die Fortpflanzungsindustrie, dieses lukrative Geschäft akzeptabel zu machen. Mit zunehmendem Erfolg: Immer mehr Länder, die Leihmutterschaft verbieten, anerkennen im Ausland geborene Kinder von Leihmüttern und höhlen damit das heimische Verbot aus. Die Medien spielen das Spiel der Lobby mit und porträtieren regelmässig glückliche Paare und Prominente, die dank Leihmutterschaft ihren Kinderwunsch erfüllen konnten. Anfang dieses Jahres waren das beispielsweise Hotelerbin Paris Hilton und der Schweizer TV-Moderator Oliver Borer, später US-Model Chrissy Teigen. Kritische Fragen zu den gesundheitlichen Risiken werden weder gestellt noch beantwortet. Missstände wie in Griechenland sorgen meist nicht für Schlagzeilen. Die Berichterstattung stärkt stattdessen die Forderung vom Recht auf ein Kind.

«Leihmutterschaft verbieten»
Von der Ausbeutung verarmter Frauen profitieren «Kinderwunschkliniken», Reproduktionskliniken und die gesamte Fortpflanzungsindustrie, sagen Aktivistinnen des Netzwerks «Stop Surrogacy Now», das international gegen Leihmutterschaft und Eizellenhandel kämpft. «Es sind die gleichen Strukturen wie in der Prostitution. Es ist Menschenhandel im grossen Stil, der sich hinter dem Slogan der ‘glücklichen Familiengründung‘ verbirgt.» 
Die österreichische Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) forderte im öffentlich-rechtlichen Sender ORF ein geeintes Vorgehen der EU gegen diese Form des Menschenhandels. Dieser verstosse gegen die Menschenrechtskonvention. «In Österreich ist Leihmutterschaft Gott sei Dank verboten, kann aber über das Ausland umgangen werden. Europa muss hier geeint gegen diese Praxis vorgehen und Leihmutterschaft verbieten.»
Die italienische Regierung hat in diesem Frühjahr angekündigt, Leihmutterschaft auch im Ausland zu verbieten. Leihmutterschaft sei eine «Kommerzialisierung und Versklavung des weiblichen Körpers». 

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