Applaus für gewalttätige Männer
Das Bild ging um die Welt: Schauspieler Will Smith ohrfeigte Komiker Chris Rock, Moderator der diesjährigen Oscar-Preisverleihung. Anlass war ein geschmackloser Witz über den rasierten Kopf von Smiths Frau Jada Pinkett Smith, die an krankhaftem Haarausfall leidet. Es bleibt das Geheimnis des Paares, weshalb sie den Moderator nicht mündlich zurechtwiesen und eine Entschuldigung forderten. Sie hätten bei dieser Gelegenheit alle Frauen ermutigen können, die wie Jada Pinkett Smith an einer Krankheit leiden, deren sichtbare Folgen sie in den Augen vieler Männer abwertet.
Applaudieren statt kritisieren
Ernüchternd waren die Reaktionen des Publikums und des Veranstalters: Die «Academy of Motion Picture Arts and Sciences» verlieh Smith kurz nach seiner Ohrfeige den Oscar als bester Hauptdarsteller. Und das Publikum applaudierte stehend einem Mann, der einem Millionenpublikum demonstriert hatte, dass er auf eine verbale Beleidigung mit körperlicher Gewalt reagiert.
Zuschauen statt eingreifen
Die zweite Ohrfeige erteilte Rapper «Fat Comedy» Komiker Oliver Pocher an einem Box-Anlass in Deutschland. Niemand griff ein, Pocher rannte weg und zeigte «Fat Comedy» später an. Dieser begründete seinen Übergriff unter anderem damit, dass Pocher in einem Podcast Partei für eine Frau ergriffen habe, die einen Vergewaltigungsvorwurf gegen seinen Kumpel Rapper Samra erhoben hatte. «Fat Comedy» liess seine Ohrfeige filmen und stellte das Video ins Internet. Dort bekam er für den Übergriff viel Applaus aus der Rapperszene. Dieser hatte Pocher in seinem Podcast frauenverachtende Texte und Gewaltverherrlichung vorgeworfen.
Dem Opfer eine Mitschuld geben
Zuschauen statt eingreifen, applaudieren statt kritisieren: Diese Reaktionen auf beide Ohrfeigen zeigen, dass traditionelle Rollenbilder in der Gesellschaft immer noch verbreitet sind. Männer, die mit Gewalt auf eine Beleidigung reagieren, können mit Verständnis rechnen. Diese Botschaft geht über das Private hinaus, wie der Ukraine-Krieg zeigt. Der Westen sei mitverantwortlich für den russischen Angriffskrieg, heisst es bis heute. Doch eine behauptete Mitschuld des Opfers legitimiert Gewalt weder im Privaten noch in der Politik.
Die Geohrfeigten schlugen nicht zurück
Will Smith entschuldigte sich im Nachhinein. Gewalt in jeder Form sei toxisch und zerstörerisch. Er habe «emotional reagiert» und «aus Liebe» gehandelt. «Fat Comedy« entschuldigte sich nicht, sagte lediglich, er habe «emotional überreagiert»: «Ich will es nicht verharmlosen, aber ich habe keinen erschossen oder umgebracht, sondern nur eine geklatscht», sagte er der «Bild»-Zeitung. Alles sind auch Entschuldigungen von gewalttätigen Partnern. Darauf wiesen Betroffene häuslicher Gewalt in den sozialen Medien hin. Ein wichtiges Zeichen gegen toxische Männlichkeit setzten die beiden geohrfeigten Männer: Keiner reagierte mit Gewalt auf die erlittene Gewalt.