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Die Britin Gina Martin wurde massiv bedroht, weil sie forderte, dass das heimliche Fotografieren unter die Röcke von Frauen ein Straftatbestand wird. © MoJ

Der Genderstern ist der falsche Aufreger

fs /  Über Political Correctness regen sich viel mehr Menschen auf als über Frauenhass im Internet. Das ist die verkehrte Priorität.

Der Genderstern ist zu einem Reizwort geworden, das für Schlagzeilen sorgt und zu dem alle eine Meinung haben. Über Frauenhass im Internet gibt es keine vergleichbare Debatte. Er gilt als unbeabsichtigte Folge der Digitalisierung, mit der Betroffene selber klarkommen sollen. Doch damit machen es sich die Verantwortlichen in Politik und Konzernen zu leicht.

Frauenhass ist ein Geschäftsmodell
Welche Folgen dies haben kann, zeigt der Fall von Andrew Tate, der sich nach Angaben der «Washington Post» selber als Frauenhasser bezeichnet. Frauen sind das Eigentum des Mannes und gehören ins Haus. An sexueller Gewalt sind sie grundsätzlich mitschuldig. In Videos zeigt er, wie er eine Frau schlagen würde. Mit seinen frauenverachtenden Posts erreichte Tate nach Angaben des «Guardian» zuletzt fast 5 Millionen Follower auf Facebook und Instagram und über 10 Milliarden Klicks. Damit verdienten der 35-Jährige und die Social-Media-Plattformen viel Geld. 

Erst kürzlich hat der Meta-Konzern seine Profile auf Instagram und Facebook gelöscht. Er habe gegen die Nutzungsbestimmungen verstossen. TikTok löschte sein Profil ein paar Tage später. Twitter hatte Tate schon 2016 gesperrt, nachdem er getwittert hatte, dass Frauen für eine Vergewaltigung mitverantwortlich seien. Dass er auf Instagram, Facebook und TikTok erst jetzt gesperrt wurde, zeigt, dass den Verantwortlichen der Social-Media-Plattformen das Ausmass und die Folgen des Frauenhasses nicht bewusst sind und sie eine Geldquelle nicht versiegen lassen wollten. 

Frauenhass betrifft die meisten Frauen
Frauenhass betrifft die meisten Frauen, die sich öffentlich äussern: Politikerinnen, Aktivistinnen, Journalistinnen. Eine Betroffene ist die Britin Gina Martin. Sie wurde Opfer von «Upskirting». Der Begriff bezeichnet Fotos und Videos, die Spanner heimlich unter den Röcken von Frauen machen und die Bilder danach online veröffentlichen. Die heute 30-Jährige hat im «Guardian» beschrieben, welchen Drohungen sie ausgesetzt war, als sie sich mit einer Petition dafür einsetzte, dass «Upskirting» ein expliziter Straftatbestand werde. Sie habe gewusst, dass sie sich an die Drohungen gewöhnen musste, obwohl sie dies total unfair fand. Die Meldungen habe sie gelesen, weil sie vorbereitet sein wollte, falls ein Hater seine Drohungen ernst machen sollte.

Es geht um Kontrolle der Frauen
Frauenhass ist eine alte Methode, um Frauen zum Schweigen zu bringen und patriarchale Strukturen aufrecht zu erhalten, wie die feministische Philosophin Kate Manne in ihrem Standardwerk über die Logik der Misogynie schreibt. Gina Martin kritisiert in ihrem Artikel, dass niemand etwas gegen den Frauenhass im Internet unternimmt, obwohl dessen Ausmass riesig sei. «Die Verantwortlichen für die Bekämpfung dieses Missbrauchs sind in der Regel Männer. Sie verstehen nicht wirklich die Auswirkungen, die es auf Opfer und Überlebende hat. Sie sind nicht in unserer Haut. Sie liegen nicht nachts im Bett und überlegen, wie sie entkommen können, wenn einer der Männer, die sie hassen, einbricht. Laut Martin wäre es möglich, Täter mit technischen Mitteln aufzuspüren. «Die Frage ist, wo unsere Prioritäten liegen.» Gesetzgeber hätten keine Ahnung vom Ausmass des Frauenhasses, weil sie ihre Social-Media-Konten nicht selber betreuen. Und die Social-Media-Konzerne hätten aus ökonomischen Gründen kein Interesse, Konten zu löschen. 

In Deutschland plant die Regierung, geschlechtsspezifische Gewalt explizit als strafverschärfend ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. 
In den meisten Ländern wird Hasskriminalität aufgrund des Geschlechtes weder im Strafrecht noch in der Kriminalstatistik erfasst, im Unterschied zu Rassismus und Antisemitismus. Damit wird das Ausmass des Frauenhasses nicht offensichtlich. Das sollte mehr empören als der Genderstern.

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