Eine «Beziehungstat»? Sicher nicht.

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Barbara Marti /  Statt von «Mord» reden Medien von einer «Beziehungstat». Damit schieben sie dem Opfer eine Mitschuld zu.

Ob Tagesschau auf SRF oder ARD, ob «Welt», «Tagesspiegel», «Neue Zürcher Zeitung» oder «Tages-Anzeiger»: Alle übernahmen nach der Schiesserei in Utrecht unkritisch den Ausdruck «Beziehungstat», den die holländische Polizei benutzte.

Unabhängig vom Motiv des Täters: Mord und Totschlag dürfen nicht zur «Beziehungstat», zum «Familiendrama», zur «Eifersuchtstat» und schon gar nicht zum «Ehrenmord» werden. Denn auf diese Weise schieben Medien dem Opfer eine Mitschuld zu.

Einzelfall-Schilderungen verschleiern die Verbreitung dieser Gewalttaten

Gewalt von Partnern und Ex-Partnern ist die weltweit am meisten verbreitete Form von Gewalt gegen Frauen. Die gängige Berichterstattung als Einzelfall verschleiert die Dimension dieser Form der Gewalt gegen Frauen und trägt dazu bei, dass solche Taten kein politisches Top-Thema sind. «Die Taten werden medial wie unfassbare Einzelfälle abgehandelt, die aus heiterem Himmel passieren», bloggte die österreichische Journalistin Nicole Schöndorfer. «Die Frau hat etwas getan und daraufhin ist der Mann ausgerastet. Dieses Narrativ ist nicht nur irreführend, sondern vor allem gefährlich, denn es rechtfertigt Gewalt von Männern zumindest implizit als eine Reaktion auf das Verhalten einer Frau.»
Der Angriff eines Mannes auf eine Frau werde nie mit seinem Unvermögen erklärt, auf Zurückweisung, Kränkung oder Verlust gewaltfrei zu reagieren. Gefährliche Vorstellungen von Männlichkeit und Frauenhass seien kein Thema.

Politisches Nischenthema

Den Grund dafür sieht Schöndorfer in der patriarchalen Gesellschaft: «Zum System gehören Medien, Politik, Polizei und Justiz. Sie alle sind dafür verantwortlich, dass die Situation für Frauen so ist, wie sie ist: unsicher.» Mittlerweile gebe es zwar gute Gesetze und internationale Vereinbarungen, die allerdings in der Praxis zu wenig bewirken. Gewalt von Männern gegen Frauen sei trotz epidemischer Ausmasse politisch weiterhin nur ein Nischenthema. Niemand wolle für den Kampf gegen diese Gewalt Geld in die Hand nehmen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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