Rücktritt: Politiker belästigte Parteikolleginnen
Der grüne Denis Baupin ist von seinem Amt als Vizepräsident der französischen Nationalversammlung zurückgetreten, nachdem ihm Medien unter Berufung auf mehrere Parteikolleginnen sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. Baupin bestreitet die Vorwürfe. Er kündigte Verleumdungsklagen gegen die Medien an.
Betroffene sagen aus
Baupin hatte am Internationalen Frauentag eine Online-Kampagne gegen sexuelle Belästigung unterstützt. Parteikollegin Elen Debost warf ihm auf ihrer Facebook-Seite Heuchelei vor. Darauf begannen das Portal «Mediapart» und «France Inter», gemeinsam zu recherchieren. Sie fanden insgesamt acht betroffene Frauen der grünen Partei, die aussagten. Vier äusserten sich öffentlich.
An die Wand gedrückt und begrapscht
Elen Debost sagte, Baupin habe sie monatelang mit anzüglichen Textnachrichten belästigt. Sandrine Rousseau, Sprecherin der Grünen, berichtete, Baupin habe sie 2011 in einer Sitzungspause auf dem Weg zur Toilette in einem Gang an die Wand gedrückt. Er habe ihren Busen begrabscht und versucht, sie zu küssen. Rousseau traute sich nicht, Baupin anzuzeigen. Sie sei 2011 noch nicht lange in der Partei und erst seit kurzem in der Parteileitung gewesen: «Ich wusste damals nicht, dass es noch andere Opfer gab und wollte nicht diejenige sein, die für Ärger sorgt.»
Anzügliche Textnachrichten
Ab Mitte 2012 belästigte Baupin fast anderthalb Jahre lang die grüne Abgeordnete Isabelle Attard mit «Hunderten von provozierenden und schmierigen SMS». Als Spezialistin für Energiefragen habe sie den Kontakt mit Baupin nicht vermeiden können. Sie habe deshalb zu den Treffen jeweils einen Assistenten mitgenommen. Attard wusste, dass Baupin auch andere Parteikolleginnen belästigte. Sie hätten jedoch alle geschwiegen, um seine Frau nicht zu verletzen. Baupin ist mit der französischen Wohnungsministerin Emmanuelle Cosse verheiratet. Diese war Generalsekretärin der französischen Grünen, bevor sie Präsident François Hollande Anfang dieses Jahres in die Regierung holte.
«Schweigen beenden»
Laut «Mediapart» und «France Inter» wussten bei den französischen Grünen viele von den Übergriffen. Um der Partei nicht zu schaden, wollte jedoch niemand Baupin zur Verantwortung ziehen. Mittlerweile fordert eine Petition, das Schweigen über sexuelle Belästigung in der Politik zu beenden. Die Verantwortlichen müssten endlich Massnahmen ergreifen, um Übergriffe auf Frauen in politischen Gremien und Institutionen zu stoppen, heisst es in einem Aufruf des Petitionskomitees, den die «Libération» veröffentlicht hat. «Es ist für Frauen generell schwierig, über diese Art von Gewalt zu sprechen, aber im politischen Mikrokosmos ist dies zweifellos noch schwieriger. Hier dürfen Frauen keine Schwächen zeigen und müssen alles andere als ein Opfer verkörpern.»
Auch Journalistinnen betroffen
Letztes Jahr haben 40 französische Journalistinnen Übergriffe von Politikern angeprangert. In der «Libération» veröffentlichten sie ein Manifest gegen die Belästigungen und den «herrschenden Sexismus». Konkret warfen sie hochrangigen Politikern deplatzierte Bemerkungen, Hände auf Oberschenkeln oder Tauschgeschäfte wie «eine Information gegen einen Apéro» vor.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine