Sexuelle Übergriffe: Ein «Nein» soll genügen
Die Regierung schlägt vor, den Tatbestand der «Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung» ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Damit sollen Fälle geahndet werden können, in denen das Opfer sich nicht körperlich gegen eine sexuelle Handlung wehren kann oder aus Angst keinen Widerstand leisten will. Bisher konnte man solche Übergriffe allenfalls als sexuelle Belästigung mit sechs Monaten Haft oder geschlechtliche Nötigung mit fünf Jahren Haft bestrafen.
Klare Botschaft im Strafrecht
Der Mann beispielsweise, der mit einer Frau Sex hat, die dies nicht will, sich aber aus Angst oder Rücksicht – etwa auf schlafende Kinder – nicht wehrt, muss neu mit einer Haftstrafe von zwei Jahren rechnen. Auch der Ehemann, der unter dem Kopfkissen stets ein Messer hat, wenn er mit seiner Frau Sex hat, soll strafrechtlich verfolgt werden können. Beides sind konkrete Fälle, die in der Vergangenheit mit Freisprüchen endeten. Die Beweislage werde weiterhin schwierig sein, sagte die Juristin Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung im «Standard». Trotzdem sei die Reform ein Fortschritt: «Es ist sinnvoll, ein Strafrecht zu haben, das klar sagt: Das geht, und das geht nicht.» Birgit Thaler-Haag, Leiterin des Frauenhauses Salzburg, hofft, dass aufgrund der neuen Rechtslage mehr Frauen Anzeige erstatten werden.
Schutz der sexuellen Selbstbestimmung
Laut der Europaratskonvention zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen (Istanbul Konvention), die letztes Jahr in Kraft getreten ist, müssen die Vertragsstaaten die sexuelle Selbstbestimmung schützen und alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen bestrafen. Die Brutalität des Täters oder eine mögliche Gegenwehr des Opfers dürfen dabei keine Rolle spielen. Österreich hat die Konvention ratifiziert und passt nun sein Strafrecht an. Italien hat die Konvention ebenfalls bereits ratifiziert. Deutschland und die Schweiz haben sie erst unterzeichnet. Liechtenstein hat sie bisher weder unterzeichnet noch ratifizert.
In Deutschland plant Justizminister Heiko Maas (SPD), den Vergewaltigungsparagrafen zu verschärfen. Voraussetzung für eine strafrechtliche Verfolgung sind bisher Gewalt, Drohungen oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage. Aus juristischer Sicht liegt keine Vergewaltigung vor, wenn ein Opfer bloss «Nein» sagt oder weint und sich körperlich nicht wehrt.
In der Schweiz verlangt der Kanton Genf mit einer Standesinitiative, die geltende Definition der Vergewaltigung auszuweiten. Zurzeit gelten erzwungener Oral- und Analverkehr als sexuelle Nötigung, die milder bestraft wird als Vergewaltigung. Und Männer als Opfer einer Vergewaltigung gibt es aus juristischer Sicht nicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine