Täter kommen glimpflich davon
In der Schweiz darf ein Psychiater weiter praktizieren, obwohl er mit einer Patientin auf seine Initiative über mehrere Jahre Geschlechtsverkehr hatte. Der Patientin sagte er, dass dieser in einer Therapie normal sei. Die Frau hatte wegen sexueller Übergriffe in der Jugend beim Psychiater Hilfe gesucht, berichtete die «SonntagsZeitung». Schliesslich meldete die Frau den Psychiater beim zuständigen Aargauer Kantonsarzt. Dieser hörte sie nicht an und entschied, dass der Arzt weiter praktizieren darf. Das Rückfallrisiko sei gering. Auch die Aufsichtsbehörde, das kantonale Departement für Gesundheit und Soziales, befand ohne Anhörung der Frau, dass es keinen Grund gebe, einzuschreiten.
Mildes Urteil
Darauf zeigte die Frau den Psychiater an. Das Bezirksgericht Aarau verurteilte ihn wegen mehrfacher Ausnützung einer Notlage. Die Strafe fiel allerdings sehr mild aus: Eine bedingte Geldstrafe, eine Busse von 6000 Franken und 45’000 Franken für das Opfer. Der Arzt darf weiter praktizieren, allerdings während zwei Jahren keine Frauen behandeln. Das sei das «Minimum vom Minimum», sagte laut der «SonntagsZeitung» Staatsanwältin Barbara Loppacher im Gerichtssaal. Ein Berufsverbot wäre möglich gewesen. Der Psychiater sagte vor Gericht, es tue ihm «schrecklich leid». Seine Patientin sagte der «SonntagsZeitung»: «Das Urteil war wichtig für mich. Weil ich mich zum ersten Mal in meinem Leben erfolgreich gegen einen Täter wehren konnte. Dass er bald auch wieder Frauen behandeln kann, ist aber nicht nachvollziehbar.»
Kirche schweigt
In der katholischen Kirche gibt es seit Jahrzehnten Berichte über Priester, die Nonnen zum Geschlechtsverkehr und später zu Abtreibungen zwangen. Zuletzt hatten Ende letzten Jahres in Indien Nonnen öffentlich kritisiert, dass die Kirche einen Bischof nicht zur Verantwortung zieht, der eine Ordensschwester mehrfach vergewaltigt hat.
Bereits in den neunziger Jahren machten Nonnen in Afrika Übergriffe öffentlich, wie die Vatikanzeitung «Osservatore Romano» berichtet. Sie kritisiert, dass die Kirche dazu schweigt. Die Übergriffe seien ein strukturelles Problem der Kirche, in der die Geistlichen alle Macht haben.
«Die Frau ist zweiter Klasse»
Die Kirchenführung schwieg bisher zu Vergewaltigungsvorwürfen von Nonnen. Jetzt hat Papst Franziskus erstmals gesagt, dass es Übergriffe von Priestern und Bischöfen auf Ordensfrauen gegeben habe und immer noch gebe. Er sprach von einem strukturellen Problem: «Die Frau ist zweiter Klasse». Allerdings beschwichtigte er, es betreffe einige Kulturen und religiöse Gemeinschaften mehr als andere. «Es ist keine Sache, die alle machen.» Bisher habe die Kirche Frauengemeinschaften aufgelöst und Kleriker «suspendiert» und «weggeschickt». Papst Franziskus: «Muss man mehr machen? Ja. Wollen wir mehr machen? Ja.» Ob die Kirche Täter endlich anzeigen will, sagte der Papst allerdings nicht. Zurzeit findet im Vatikan ein Treffen zum Thema Missbrauch an Kindern statt. Die Nonnen sind kein Thema und Frauen nehmen auch keine teil. Eingeladen sind die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aus aller Welt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine