Bildschirmfoto 2022-04-13 um 11.32.20

Kriminologin Jane Monckton Smith hat ein 8-Stufen-Modell entwickelt, das helfen soll, Warnsignale für ein kontrollierendes Verhalten früh zu erkennen. © zdf

«Häusliche Gewalt ist kein Paarproblem»

fs /  Überwacht, geschlagen, getötet: Frauenmorde geschehen meist nicht im Affekt und könnten deshalb verhindert werden. Ein aktuelles Beispiel.

In der Schweiz wurde unlängst eine junge Frau von ihrem Ehemann getötet. Laut Medienberichten soll er sie mitten in der Nacht aus dem Bett im Kinderzimmer gezerrt und nach einem Streit in einem anderen Zimmer getötet haben. Bekannte sagten der Boulevardzeitung «Blick», dass er sie seit Jahren geschlagen habe. Er habe ihr Kontakte verboten und sie per GPS überwacht. Sie habe ihn geliebt und deshalb nie die Polizei gerufen.

«Häusliche Tötungsdelikte sind keine Affekttaten»
Für die britische Kriminologin Jane Monckton Smith ist dieser Fall typisch. Häusliche Tötungsdelikte seien kein Paarproblem, sagte sie der «NZZ am Sonntag»: «Es ist ein Problem, das von einer kontrollierenden und missbrauchenden Person ausgeht.» Die gängige Vorstellung, dass die Frau den Mann provoziert und dieser dann die Beherrschung verliert, treffe nicht zu. «Diese Frauen sind unschuldige Opfer männlicher Gewalt.» Solche Taten seien meistens geplant: «Häusliche Tötungsdelikte sind keine Affekttaten. Es sind Verbrechen aus einer Besessenheit heraus.» Wer solche Frauenmorde als spontane Verbrechen aus Leidenschaft bezeichne, schiebe dem Opfer eine Mitschuld zu und entlaste den Täter. Dies habe wenig mit der Tat und viel mit patriarchalen Strukturen der Gesellschaft zu tun. 

Polizei muss früher einschreiten
Die Gewalt in Beziehungen eskaliert laut Monckton Smith nach einem bestimmten Muster. Sie hat rund 400 häusliche Tötungsdelikte analysiert und festgestellt, dass solche Frauenmorde vorhersehbar sind. Die Polizei könne und müsse früher einschreiten. Die meisten Täter handelten aus Angst, die Kontrolle über die Frau zu verlieren. Die zunehmende Kontrolle der Partnerin sei deshalb ein entscheidender Hinweis auf eine möglicherweise bevorstehende Tat. Die Kriminologin hat ein Acht-Phasen-Modell entwickelt, das es Polizei und Sozialbehörden erleichtern soll, Risikobeziehungen rechtzeitig zu erkennen und einzugreifen, bevor ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin ermordet.

Warnsignale
Ein kontrollierendes Verhalten könne jede Frau treffen, sagt Monckton Smith. Sie rät Frauen, zu Beginn einer Beziehung darauf zu achten, ob der Mann einen Besitzanspruch erhebt. Warnsignal könne ein hohes Tempo sein, das nur von ihm ausgeht: Liebeserklärung, gemeinsame Wohnung, Verlobung, Kind. Wie reagiert er, wenn sie sein Tempo nicht mithalten will, wenn sie ohne ihn andere Leute treffen will oder ihn mal nicht treffen will? Monckton Smith: «Eine kritische Grundhaltung kann Leben retten.»

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581