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«Anna» wurde von ihrem Ex-Freund emotional manipuliert, damit sie auf «OnlyFans» Nacktbilder veröffentlicht. © ard

«Wir sind dort, wo Frauen Unrecht getan wird»

fs /  Die Frauenzentrale Zürich ist neu auf «OnlyFans» aktiv. Sie will damit junge Frauen über Gefahren der Bezahlplattform und über moderne Zuhälter informieren.

Die Frauenzentrale Zürich (FZ) ist nach eigenen Angaben weltweit die erste Frauenrechtsorganisation, die auf der Plattform «OnlyFans» aktiv ist. Sie hat letzten Herbst einen Account eröffnet, um Frauen über die Gefahren, ihre Rechte und Hilfsangebote zu informieren. Die Frauenzentrale wolle dort sein, wo Frauen Unrecht getan wird, sagt FZ-Geschäftsleiterin Olivia Frei.

Finanziell erfolgreich sind nur wenig Frauen
«OnlyFans» vermarktet sich als Online-Social-Media-Plattform für kostenpflichtige Inhalte. «Creator» können dort ihren «Fans» angeblich «private» Videos, Fotos und persönliche Chats verkaufen. Der Inhalt von «OnlyFans» besteht grösstenteils aus pornografischen Bildern und Videos von jungen Frauen. Die Plattform ähnelt Instagram. Der Unterschied ist die Verdienstmöglichkeit für «Creator». Für Frauen in prekären finanziellen Verhältnissen kann es attraktiv scheinen, Bilder von sich selber zu machen und diese zu verkaufen. «OnlyFans» verspricht ihnen Selbstständigkeit und Selbstermächtigung. Doch finanziell erfolgreich sind laut der Frauenzentrale nur wenig Frauen. Im Gegenteil: Frauen werden depressiv oder treffen ihre Kunden im realen Leben und gleiten so in die Prostitution ab, sagte Geschäftsführerin Olivia Frei in der «Emma». 

«Frauenkörper werden kommerzialisiert»
Die britische Soziologin Gail Dines spricht von «ausgebeuteten» Frauen: «Die Frauen (auf OnlyFans) sind arm und verzweifelt, oft wollen sie Essen auf den Tisch bringen; viele von ihnen kommen aus Osteuropa oder dem globalen Süden; und ihre Körper werden von ‘OnlyFans’ kommerzialisiert und monetarisiert». Dines ist Gründungsmitglied von «Stop Porn Culture» (heute: «CultureReframed»), einer internationalen Bewegung gegen Pornografie. Sie warnte in der US-Zeitung «Desert News», dass Frauen keine Kontrolle über die veröffentlichten Bilder haben, da jeder «Fan» einen Screenshot machen und die Bilder anderswo veröffentlichen kann. So seien auf der einschlägigen Webseite «PornHub» Hunderttausende Videos, die von «OnlyFans» stammen. «CultureReframed» hat letzten Frühling den Bericht «OnlyFans is only Porn» veröffentlicht. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Eric Silverman sagt, dass es sich bei «OnlyFans» um Online-Prostitution handle. Es gehe nicht wie «OnlyFans» behauptet, um die Entwicklung «authentischer Beziehungen» zwischen «Fan» und «Creator», sondern um den Verkauf von Frauenkörpern zum Vergnügen von Männern. «’OnlyFans’ lockt gefährdete Frauen in eine gefährliche und ausbeuterische Industrie.»

Gewinne für die Männer
Der Graubereich zwischen Selbstbestimmung und Zwang sei gross, sagt die Frauenzentrale Zürich. Sie warnt junge Frauen ausdrücklich vor «OnlyFans-Managern», die ihnen versprechen, sie gewinnbringender auf «OnlyFans» zu vermarkten. Ein ARD-Dokumentarfilm zeigt, wie die Masche der «Manager» funktioniert und wie sie auf Kosten der Frauen profitieren. Im Film erzählen drei junge Frauen unter anderem Namen, dass ihre Ex-Freunde sie emotional manipuliert haben, damit sie auf «OnlyFans» immer mehr nackte Haut zeigten. Die Männer übernahmen die Chats mit den «Fans» und die Kontrolle über die Finanzen. Zwei der drei Frauen generierten mit den Nacktaufnahmen Einnahmen von mehreren Zehntausend Euro. Ihre Ex-Freunde versprachen zwar, das Geld mit ihnen zu teilen, hielten sich aber unter Vorwänden nicht an diese Abmachung.  

Coaching für junge Männer
Der Ex-Freund der heute 20-jährigen «Anna» setzte sich mit allen Einnahmen ins Ausland ab. Sie fand später heraus, dass er im Männer-Netzwerk «Champlife» lernte, wie er Frauen emotional manipulieren und ein Machtgefälle zwischen sich und Frauen erzeugen kann. In einer Gruppe auf «Champlife» gebe es eine Art Wettbewerb, wer mit seiner Frau mehr Geld machen könne, sagt «Anna». 

«Champlife» verkauft jungen Männern Coaching-Videos für alle Lebensbereiche, auch für den Umgang mit Frauen. Der Kurs «Wie man eine Seele einsperrt» kostet 750 Euro. Und ein Kurs «Die Gesetze der Führung» für 1000 Euro soll zeigen, wie man Frauen Grenzen aufzeigt, sie richtig «erzieht» und sich so die perfekte Frau selber erschaffen kann. «Champlife» gegründet haben die Brüder Nino und Elias Haralambidis, die auf Instagram mit ihrem Reichtum protzen. Nino solidarisierte sich auf Social Media mit dem Frauenhasser Andrew Tate, der letztes Jahr wegen des Verdachts auf Frauenhandel, Vergewaltigung und Bildung einer kriminellen Vereinigung in Rumänien angeklagt wurde. Eine Gerichtsverhandlung fand bisher nicht statt. Nino und Elias Haralambidis haben Deutschland mittlerweile verlassen und sollen in den Vereinigten Arabischen Emiraten leben.

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