Hitzige Debatte über Mutterrolle
«Regretting Motherhood» (Die Mutterschaft bereuen) heisst eine Analyse von Orna Donath, welche die Zeitschrift «Journal of Women in Culture and Society» veröffentlicht hat. Die Soziologin der Universität Tel Aviv hat dafür Tiefeninterviews mit 23 israelisch-jüdischen Frauen geführt, von denen sie wusste, dass sie bereuen, Mutter geworden zu sein.
Unfrei und fremdbestimmt
Orna Donath wollte wissen, weshalb diese Frauen nicht mehr Mutter werden wollten, falls sie das Rad der Zeit zurückdrehen könnten. Sie fand heraus, dass die Befragten ihre Kinder zwar liebten und lieben. Die Rolle und Aufgaben der Fürsorgerin machten sie aber nicht zufrieden. Die Frauen fühlten sich unfrei und fremdbestimmt. Besonders machte ihnen der Konflikt zu schaffen, dass sich die gesellschaftlichen Erwartungen mit ihrem Empfinden nicht deckten.
Tabubruch
Mütter, die das Bild der glücklichen Mutterschaft kritisieren, brechen ein Tabu, weil Mutterschaft als der natürlichste und glücklichste Zustand einer Frau gilt. Dies sei ein «kulturelles und historisches Konstrukt», erklärt die Soziologin Orna Donath. Erst seit der Industrialisierung seien Frauen verantwortlich für die Kinder geworden. Vorher seien Kinder Jahrhunderte lang im erweiterten Familienverband gross gezogen worden. Heute sei das Bild der glücklichen Mutter in unseren Köpfen fest verankert. Dazu gehöre auch die Annahme, dass jede Frau Kinder wolle.
Kritik
Das Empfinden und die Haltung der 23 israelisch-jüdischen Frauen haben im deutschsprachigen Raum eine Kontroverse in den sozialen Medien ausgelöst. Viele meinten, die Mutterschaft zu bereuen sei das «Luxusproblem» einer verwöhnten Generation, eine «Krankheit berufstätiger Mütter» oder ein «Symptom der Egoismus-Gesellschaft. Diese Frauen seien egoistisch, weil sie weder auf Partys noch auf berufliche Karriere verzichten wollten.
Verständnis
Andere äusserten Verständnis: Kind und Beruf seien schwer zu vereinbaren. Es sei deshalb nachvollziehbar, die Mutterschaft zu bereuen. Viele Mütter fühlten sich alleingelassen und überfordert. Andere schrieben, dass sie selber unter dem Bild der perfekten und nimmermüden Mutter leiden. Eine Frau meinte, die Ehrlichkeit der 23 Frauen sei «hoffentlich ein weiterer Schritt zur Befreiung der Frauen».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine