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«Ich hasse Kinder nicht, ich will einfach keine», sagt US-Komikerin Chelsea Handler. © TDS

Immer wieder: Ärzte bevormunden junge Frauen ohne Kinderwunsch

fs /  «Ich darf zehn Kinder in die Welt setzen. Aber wenn ich keine möchte, brauche ich ein psychiatrisches Gutachten», sagt eine 22-Jährige.

Nach «FrauenSicht» informierte auch die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ), wie junge Frauen schikaniert werden, wenn sie sich sterilisieren lassen wollen. Nik Hauser, Inhaber des Frauenarztzentrums Aargau meinte: «Eine Frau kann früh schwanger werden und viele Kinder haben. Aber wenn eine Frau keine Kinder haben möchte, stösst sie an Grenzen.»

Sterilisation ist die sicherste Verhütungsmethode. Bei Frauen werden dafür beide Eileiter abgetrennt, so dass Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter kommen. Eine Sterilisation ist grundsätzlich unwiderruflich. 

Die NZZ griff den Fall der 28-jährigen Österreicherin Julia Brandner auf, die lange vergeblich einen Arzt oder eine Ärztin suchte, welcher bei ihr den 15- bis 30-minütigen Eingriff vornimmt. Brandner räumte ein, dass «die Endgültigkeit des Eingriffs das grösste Problem» sei. Bei Frauen, die sich im Alter von unter 30 Jahren haben sterilisieren lassen, würde jede Fünfte den Eingriff später bereuen. Allerdings sei auch der Entscheid, Kinder zu zeugen, ein unwiderruflicher Entscheid. Laut NZZ sagt jede fünfte Mutter und jeder fünfte Vater später, sie hätten besser keine Kinder gezeugt. 

«Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert»
«FrauenSicht» hatte im Mai über zwei junge Schweizerinnen berichtet, die von Ärzten bevormundet wurden, weil sie sich sterilisieren lassen wollten. Die Gesetzeslage ist klar: Wer sich unterbinden lassen will, muss in der Schweiz und in Deutschland mindestens 18 Jahre alt, urteilsfähig und umfassend informiert sein. Die Person muss dem Eingriff frei und schriftlich zustimmen. Trotzdem verweigern Ärztinnen und Ärzte jungen Frauen ohne Kinderwunsch eine Sterilisation oft jahrelang. Sie trauen diesen zwar zu, sich selbstbestimmt für ein Kind zu entscheiden. Aber beim Entscheid gegen Kinder misstrauen sie ihnen. 

Als erste Zeitung berichtete «Blick» über den Fall einer 29-jährigen Schweizerin, die sich sterilisieren lassen wollte. Sie liess sich von einer Psychotherapeutin begutachten. Trotzdem verweigerten sechs Gynäkologinnen und Gynäkologen in verschiedenen Praxen in der Stadt Basel den Eingriff. «Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert», sagte sie. 
Auch Alma Lukic weiss seit Jahren, dass sie nie Mutter werden will. Die 19-Jährige sagte dem «Blick», dass sie sich von Ärztinnen und Ärzten bevormundet fühlte. Statt Hilfe habe sie von ihrem Gynäkologen über Jahre nur Rezepte für verschiedene Antibabypillen und Schmerzmittel gegen ihre schweren Menstruationsbeschwerden bekommen. 

Bevormundung vermeiden
Jean Dubuisson, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Chirurgie am Universitätsspital Genf, erklärt, dass der Leidensdruck von Frauen ohne Kinderwunsch gross sein könne: «Viele haben einen schwierigen Weg mit vielen Abweisungen hinter sich, bis sie bei uns in der Sprechstunde sind.» Ärztinnen und Ärzte möchten junge Frauen meist erst unterbinden, wenn sie schon Kinder geboren haben. Doch persönliche Ansichten von Ärztinnen und Ärzten dürften die Behandlung von Frauen ohne Kinderwunsch nicht beeinflussen.
Weil in der Schweiz eine Richtlinie fehlt, entscheidet Dubuisson aufgrund der Empfehlungen des Ethikausschusses des «American College of Obstetricians and Gynecologists». Danach ist es ethisch vertretbar, junge Frauen, die noch kein Kind haben, zu unterbinden. Dubuisson: «Obwohl Ärzte verständlicherweise vermeiden wollen, dass Frauen eine Sterilisation bereuen, sollten sie auch eine Bevormundung vermeiden.» 

In Deutschland informiert der Verein «Selbstbestimmt steril» über Ärztinnen und Ärzte, die Sterilisationen an jungen Frauen vornehmen und mit der Veröffentlichung ihrer Adresse einverstanden sind. 

Kinderlosigkeit gilt als Makel
Die Gesellschaft nimmt es Frauen nach wie vor übel, wenn sie freiwillig kinderlos bleiben. Dies zeigen die Reaktionen auf einen Gastbeitrag für die Satiresendung «Daily Show» der kinderlosen US-Komikerin Chelsea Handler. Darin machte sie sich Anfang dieses Jahres lustig über die Vorurteile gegenüber kinderlosen Frauen. Sie hasse Kinder nicht, sie wolle einfach keine, sagte Handler. Ihr Beitrag ging viral und sorgte für heftige Kritik. Handler antwortete ihren Kritikern mit einem neuen Video. «Warum brauche ich überhaupt eigene Kinder, wenn ich die ganze Zeit diese Schreibabys hören muss?» 

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