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Drei Fotos, die Esther Mauersberger während des Abbruchs und danach von sich gemacht hat. © EM

«Ich fühle mich so mutig und stark»

fs /  Eine Fotografin wollte kein weiteres Kind. Sie hat Bilder des Schwangerschaftsabbruchs veröffentlicht und damit ein Tabu gebrochen.

Die zweifache Mutter Esther Mauersberger hat sich in Deutschland mit Geburtsfotos einen Namen als Fotografin gemacht. Kürzlich sorgte sie bundesweit für Aufsehen mit Fotos eines Schwangerschaftsabbruchs.

Abbruch dokumentiert
Mauersberger war ungewollt schwanger geworden. Sie wollte kein weiteres Kind und hat deshalb die Schwangerschaft zu Hause mit der Abtreibungspille Mifegyne beendet. Den Abbruch hat sie auf Instagram dokumentiert und kommentiert. Sie beschreibt den Moment der Entscheidung, die Beratungsphase, den Abbruch und ihre positive Gefühlslage danach. Ihre Posts zeigen am konkreten Beispiel, wie das Recht Frauen bevormundet. Sie können nicht wirklich frei über ihren Körper entscheiden.

«Schuldzuweisungen»
Über die gesetzlich vorgeschriebene Beratungsphase schreibt Mauersberger: «Ich renne von Termin zu Termin, die Schuldzuweisungen, die man sich augenklimpernd anhören muss. Mal versteckt, mal ganz eindeutig. Doch ich muss in dieses System. Ich muss mich Ärzten und Beratungen stellen, denn nur diese halten meinen Ausweg bereit. Es scheint der Gesellschaft ein undenkbares Szenario, dass Frau diese Entscheidung a) treffen kann b) dass es ihr damit auch gut gehen kann.»

«Ich bin glücklich»
Am Tag des Abbruchs schreibt sie zuerst: «In mir versammelt sich immer mehr Wut, über das Verständnis von Mutterschaft in der Gesellschaft. Von Reue insbesondere.» Später bereitet sie ein Bad vor: «Mein Körper ist bereit, und ich bin es auch. Ich bin unruhig, laufe viel umher, mir ist übel. Ich hatte Angst die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren, doch das tu ich nicht. Ich gehe immer wieder aufs Klo. Hier wurde meine zweite Tochter geboren. Ich drücke immer wieder mit, Gewebe löst sich, und letztlich gegen Null Uhr auch die rosa Fruchtblase. Ich habe kein Bedürfnis sie aufzubewahren, ich werde sie mir am nächsten Morgen nochmal ansehen, doch sie darf in den Müll. Ich stehe mit meiner Freundin auf dem Balkon, und bin glücklich. Ich fühle mich so mutig und stark.»

«Das stand nirgendwo»
Schlussendlich ist Mauersberger erleichtert: «Ich bin müde, ich bin schlapp. Aber ich fühle mich so leicht. Und das stand nirgendwo. Deshalb sag ich es – ich habe gelächelt. Ich habe mich stark gefühlt. Und riesig erleichtert. Ich habe eine Entscheidung gefällt und wurde fortwährend infrage gestellt. Da könnte man meinen, weder seit Freuds Hysterie, noch seit den 70ern sei etwas passiert.»

Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren
In den meisten europäischen Ländern können Frauen innerhalb einer bestimmmten Frist selber über einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Allerdings ist wie in Deutschland vielerorts mindestens eine Zwangsberatung vorgeschrieben. Völlig frei und unabhängig können Frauen also meist nicht entscheiden. In Grossbritannien fordern Frauenrechtsaktivistinnen jetzt, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die Kriminalisierung habe nichts gebracht. Im Gegenteil: Sie stigmatisiere Abtreibungen und mache das Entscheidungsrecht von Frauen angreifbar. Statt im Strafgesetzbuch soll der Schwangerschaftsabbruch wie jeder andere körperliche Eingriff geregelt werden. Ein Vorstoss für die Entkriminalisierung hat Anfang dieses Jahres im britischen Unterhaus 30 Stimmen erhalten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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