USA: Mordanklage beflügelt Abtreibungsgegner
Ariel Castro, der Entführer und Peiniger von drei jungen Frauen in Cleveland (Ohio), ist wegen Mordes an einem Fötus angeklagt worden. Eine solche Anklage ist nur dort möglich, wo Verfassung und Gesetze Föten als selbstständige Rechtspersonen anerkennen. Das ist in den meisten Ländern Europas nicht der Fall. In den USA hingegen haben einige Gliedstaaten solche Gesetze, auch Ohio, zu dem die Stadt Cleveland gehört. Ariel Castro droht nun die Todesstrafe.
Bei mindestens einer der drei eingesperrten Frauen soll der Kidnapper einen Schwangerschaftsabbruch erzwungen haben. Laut Medienberichten soll er der Schwangeren nichts mehr zu essen gegeben und sie wiederholt in den Leib getreten haben.
Abtreibungsgegner wittern eine Chance
Die Mordanklage basiert auf einem Gesetz, das Abtreibungsgegner in Ohio durchgesetzt haben. Danach muss mit einer Mordanklage rechnen, wer einen Fötus im Bauch einer anderen Person tötet. Dieses Gesetz, das eine Eizelle vom Moment der Befruchtung an als rechtliche Person definiert, verletzt das Recht der Frauen, selber über eine Abtreibung zu entscheiden. Falls der Kidnapper wegen Mordes verurteilt wird, gehen Rechtsfachleute davon aus, dass das Urteil bis vor das US-Höchstgericht weitergezogen wird. Dieses müsste dann zum ersten Mal entscheiden, ob ein Fötus im Mutterleib verfassungsrechtlich eine eigenständige Person ist oder nicht. Auf ein solches Urteil warten Abtreibungsgegner seit langem. Die Mordanklage freut sie deshalb besonders.
In den USA lobbyieren die Abtreibungsgegner seit zwanzig Jahren für Gesetze, die eine Eizelle vom Moment der Befruchtung an als rechtliche Person definieren. Solche Gesetze sind heftig umstritten: Auf Bundesebene hat das Parlament 2004 ein Gesetz verabschiedet, das einen Fötus im Mutterleib als rechtliche Person definiert, falls er wegen eines Verbrechens an der Mutter zu Schaden kommt (Unborn Victims of Violence Act). Vorstösse für eine erweiterte Anerkennung von Föten als rechtliche Personen machen Abtreibungsgegner seit dem Amtsantritt von Barack Obama nur noch selten, da Obama angekündigt hat, solche Gesetze mit seinem Veto zu blockieren. Auch in den Gliedstaaten sind die Vorschläge der Abtreibungsgegner heftig umstritten. Mehrere Bundesstaaten haben Gesetze verabschiedet, die den Tod eines Fötus unter Strafe stellen. In anderen waren solche Vorstösse hingegen chancenlos.
Bundesstaaten können Abtreibungsrecht einschränken
Ziel der Abtreibungsgegner ist es, die Definition des Menschen vom Zeitpunkt der Befruchtung an in der US-Verfassung zu verankern und damit das Recht der Frauen, selber über eine Abtreibung zu entscheiden, zu kippen. Dieses basiert nicht auf einem Gesetz, sondern auf einem Urteil des Verfassungsgerichtes aus dem Jahr 1973. Darin heisst es, dass ein Mensch erst ab dem Zeitpunkt der Geburt rechtlich eine eigenständige Person ist.
Fast zwanzig Jahre später entschied das Höchstgericht allerdings, dass die einzelnen Bundesstaaten das Abtreibungsrecht einschränken dürfen, wenn ungewollt Schwangere dadurch «nicht unzumutbar belastet» werden. Seither haben zahlreiche Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die das Recht der Frauen, über ihren Körper selber zu entscheiden, einschränken. Zuletzt hat der Bundesstaat North Dakota im Frühjahr die landesweit strengsten Gesetze gegen Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Eines dieser Gesetze legt fest, dass eine befruchtete Eizelle ab dem Moment der Zeugung eine Person im juristischen Sinne ist.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine