Klagemauer

Frauen beten an der Klagemauer in Jerusalem © Andrea Mayer/flickr/cc

Israel: Gleichberechtigung an der Klagemauer

fs /  Ein Gericht in Jerusalem erlaubt Frauen das freie Gebet an der Klagemauer. Ultraorthodoxe Juden reagieren mit Krawall.

Erstmals durften in diesem Frühjahr Frauen in religiösen Gewändern an der Klagemauer in Jerusalem laut beten, berichtet die «Jerusalem Post». Dies ist ein grosser Erfolg für die Organisation «Frauen der Klagemauer». Seit über 25 Jahren setzt sie sich dafür ein, dass Frauen beim Gebet an der Klagemauer dieselben Rechte wie Männer erhalten.
Frauen, die an der Klagemauer laut beten und religiöse Gewänder tragen, entweihen nach Ansicht der Fundamentalisten die Klagemauer. Deshalb durften Frauen bisher nur leise für sich beten. Die Fundamentalisten hinderten die «Frauen der Klagemauer» immer wieder mit Gewalt am gemeinsamen lauten Gebet. Ihre Regeln konnten die Fundamentalisten auch mit Hilfe der Polizei durchsetzen. Diese verhaftete regelmässig Aktivistinnen, weil sie gegen «ortsübliche Gepflogenheiten» verstiessen.
Die Polizei berief sich dabei auf ein Urteil, welches das Höchstgericht vor zehn Jahren gefällt hatte. Danach dürfen religiöse Aktivitäten an der Klagemauer nicht gegen «ortsübliche Gepflogenheiten» verstossen. Nun hat ein Bezirksgericht in Jerusalem präzisiert, dass damit nicht nicht eine orthodoxe Praxis gemeint sei. Frauen, die an der Klagemauer laut beten und dabei zeremonielle Gewänder und Gebetsschals tragen, würden weder ortsübliche Gepflogenheiten verletzen noch seien sie ein öffentliches Ärgernis, sagte Bezirksrichter Mosche Sobell. Berufung gegen das Urteil ist möglich, doch der Generalstaatsanwalt will keine einlegen. Israelische Medien sprachen von einem «historischen Entscheid».
Einfluss der Ultraorthodoxen schwindet
«Das Urteil hat die Klagemauer für alle Juden befreit», sagte Anat Hoffman, Vertreterin des liberalen Judentums und Vorsitzende der Vereinigung «Frauen an der Klagemauer». Gegenüber der «Jerusalem Post» sagte Hoffmann, die Entscheidung sei sehr wichtig, um die Klagemauer auch für liberalere Jüdinnen und Juden zurückzugewinnen: «Es ist eine Schande, dass man die heiligste jüdische Stätte der extremsten Fraktion in der jüdischen Welt überlassen hat.» Als die «Frauen der Klagemauer» erstmals nach dem Urteil an der Klagemauer beten wollten, wurden sie von Tausenden Fundamentalisten empfangen. Mit Trillerpfeifen versuchten diese, die Frauen am Gebet zu hindern. Und sie bewarfen die Frauen mit Eiern, Wasserflaschen, Plastikstühlen und Steinen. Erstmals nahm die Polizei Fundamentalisten und nicht mehr die betenden Frauen fest.
Das Urteil des Jerusalemer Gerichts gilt als symbolisch für den schwindenden Einfluss des fundamentalistischen Judentums. Seit der Neuwahl Anfang dieses Jahres sind die Ultraorthodoxen nicht mehr an der Regierung beteiligt. Diese muss keine Rücksicht mehr auf sie nehmen. Die Regierung will nun die Privilegien der Fundamentalisten reduzieren und sie unter anderem zum Militärdienst verpflichten.


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