Frauen sollen wieder einmal Geduld haben
Dominic Deville gibt im Herbst nach sieben Jahren die gleichnamige Satiresendung am Sonntagabend im öffentlich-rechtlichen TV-Sender SRF ab. In der Endauswahl für seine Nachfolge sind ausschliesslich Männer. Dies bestätigte SRF nach tagelanger öffentlicher Kritik. Laura Köppen, «Abteilungsleiterin Audience von SRF und Mitglied im Diversity Board der SRG», verweist auf zwei repräsentative Umfragen im Auftrag von SRF. Daraus gehe hervor, dass das Publikum Männer bevorzuge. Köppen: «Dieser Umstand hat nichts mit der hohen Qualität und Anzahl an Comedyfrauen in der Schweiz zu tun. Aber diese Resultate spielten bei der Entwicklung eine entscheidende Rolle.»
Kritik von Satirikerinnen
In einem offenen Brief an SRF-Direktorin Nathalie Wappler, SRF-Kulturchefin Susanne Wille, die SRF-Comedy-Abteilung und verschiedene Medien hatten zuvor die landesweit bekannten Satirikerinnen Patti Basler und Lara Stoll SRF strukturellen Sexismus vorgeworfen: Der Sender bevorzuge (ältere) Männer: «Oft werden gecastete Frauen schliesslich durch Männer ersetzt.» Wer als Frau mitarbeite, dürfe mitdenken, werde bei der Umsetzung aber ausgebremst oder in unpassenden Formaten verheizt. Die männlich geprägte Comedy-Abteilung habe nie explizit geäussert, dass sie Frauen als Host möchte. SRF gehe davon aus, dass das Schweizer Publikum «sympathische Männer, mit denen man gerne ein Bier trinken würde», bevorzuge. «Diese Sehgewohnheit wird weiterhin reproduziert und sogar gefördert, indem man online oder via Facebook dauernd alte ‹Fascht e Familie›, ‹Ehepaar Chifler› oder Marco Rima Sketchs und Formate laufen lässt, in denen Sexismus nicht selten zum guten Ton der Comedy gehörte.»
Männer in Redaktion übervertreten
Reto Peritz, Leiter der Abteilung Unterhaltung bei SRF, bestätigte den Vorwurf des strukturellen Sexismus teilweise: «Aktuell ist das Geschlechterverhältnis in dieser Redaktion nicht ausgewogen und dieses Ungleichgewicht müssen wir korrigieren.» Die Comedy/Satire-Szene sei seit Jahrzehnten stark von Männern geprägt. Laura Köppen ergänzte, dass SRF-Sendungen gesellschaftliche Strukturen abbilden: «In der Comedyszene sind Frauen heute noch weniger bekannt als ihre männlichen Pendants.» Doch auf Patti Basler, Lara Stoll und Hazel Brugger trifft dies sicher nicht zu.
SRF vertröstet Frauen auf die Zukunft
Laut Köppen will SRF «die Vielfalt der Comedyszene perspektivisch auch am prominenten Sendeplatz am Sonntagabend sichtbar machen». Auch Tom Schmidlin, Leiter Comedy & Satire bei SRF, vertröstete Frauen in der «Schweizer Illustrierten» auf die Zukunft: «Wir setzen uns im Bereich Comedy intensiv für Talentförderung ein und bieten Workshops und Auftrittsmöglichkeiten – und wir begleiten junge Talente auf ihrem Weg, wie zum Beispiel Reena Krishnaraja, die im letzten Jahr den Nachwuchspreis ‹SRF 3 Best Talent Comedy› an den Swiss Comedy Awards gewinnen konnte. Oder wie im Vorjahr Caro Knaack, die ebenfalls diese Auszeichnung erhalten hat. Beide sind ein Versprechen für die Zukunft.»
Frauen müssen Geduld haben
Im offenen Briefes schrieb Patti Basler: «Frauen sind ein ‹Versprechen für die Zukunft›, sie müssen sich nur noch etwas gedulden. Wenn der kränkelnde Patient SRF auf dem letzten Sterbebett liegt, wird man sie vielleicht holen. Die Palliativ-Pflege hat man schon immer gerne Frauen überlassen.» Frauen müssen Geduld haben – das ist ein altes Rezept, um sie diskriminieren. Dafür gibt es unzählige Beispiele – vom Stimmrecht bis zur aktuellen Revision der zweiten Säule in der Altersversicherung.
Lachen auf Kosten von Frauen
Was es heissen kann, wenn Satiriker das Sagen haben, zeigen aktuelle Beispiele aus Deutschland. Bei Dieter Nuhr und Urban Priol sind Anliegen von Frauen Lachnummern. Auch bei Oliver Welke und Olaf Schubert von der «Heute Show» gibt es frauenfeindliche Töne, die sie jeweils mit einer Handbewegung und einem komplizenhaften Lachen wegwischen. Die Lacher auf Kosten der Frauen sind ihnen trotzdem sicher. Gar keine Zurückhaltung übt Jan Böhmermann in seiner Sendung «ZDF Magazin Royale». Alice Schwarzer diffamierte er letztes Jahr als alte und frustrierte Frau. Und Ende letzten Jahres beschimpfte er Frauen als «Scheisshaufen». Auf Twitter trat er unter diesem Hashtag einen Shitstorm gegen alle Frauen los. Man mag sich nicht vorstellen, was los gewesen, wenn er beispielsweise People of Color als «Scheisshaufen» bezeichnet hätte. Das hätte mit Recht niemand lustig gefunden. Hingegen darf er gegen Frauen unter dem Deckmantel der Satire offenbar sogar hetzen und zu Frauenhass anstacheln.