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Frauen kämpften jahrzehntelang gegen die Anrede «Fräulein» in der Amtssprache. © ofra/SSA

Auch die Anrede «Frau» war eine Lachnummer

fs /  Spott erntete bis vor fünfzig Jahren, wer die Anrede «Fräulein» kritisierte. Der erfolgreiche Kampf zeigt: Es lohnt sich, einen langen Atem zu haben.

Wer sich heute für gerechte Sprache engagiert, muss mit Ablehnung, Unverständnis, Spott und Häme rechnen. Doch gerechte Sprache stellt sich nicht von selber ein, wie die Abschaffung der Anrede «Fräulein» für unverheiratete Frauen zeigt.

«Unvermählte bleiben etwas Unbedeutendes»
Das «Fräulein» verschwand im deutschsprachigen Raum erst vor fünfzig Jahren aus der Amtssprache. Es war das Ende eines jahrzehntelangen Kampfes. Unverheiratete Frauen mussten sich zuvor mit «Fräulein» ansprechen lassen und damit ihren Beziehungsstatus offenbaren. Erst mit der Heirat wurde aus dem Neutrum «Fräulein» eine «Frau». Ein Mann war immer ein Mann, unabhängig von der Ehe. Frauen bekämpften ihre Verzwergung seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die österreichische Frauenrechtlerin Franziska Essenther kritisierte 1871 in der deutschen Zeitschrift «Frauen-Anwalt», dass die Frau erst mit der Heirat zum selbstständigen Mitglied der Gesellschaft werde. «Unvermählte dagegen, ob jung oder alt, sind und bleiben etwas Kleines, Unbedeutendes, Unvollendetes – Neutrales – sie sind ´Fräulein’.» 

Gelächter im Bundestag
Wer die Abschaffung der Anrede «Fräulein» forderte, erntete noch Jahrzehnte später Ablehnung und Gelächter, wie das Beispiel der FDP-Politikerin Marie Elisabeth-Lüders in Deutschland zeigt. Sie beantragte 1954 im Bundestag, endlich auf die offizielle Anrede «Fräulein» zu verzichten: «Die Angelegenheit steht seit etwa hundert Jahren in der Öffentlichkeit auf der Tagesordnung.» Das Protokoll registrierte mehrfach «Heiterkeit». Immerhin verfügte darauf das Bundesinnenministerium, dass weibliche Personen wünschen können, mit «Frau» angesprochen zu werden. Erst 1967 schaffte Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland die Anrede «Fräulein» offiziell ab. Fünf Jahre später folgte der Bund. 

«Tausende wurden ohne Mann zur Frau»
In der Schweiz strichen 1972 die ersten deutschsprachigen Kantone die Anrede aus der Amtssprache. Dazu gehörte der Kanton St. Gallen, wie die Neue Zürcher Zeitung damals berichtete: «Gleichsam über Nacht sind Tausende von St. Gallerinnen ohne Mann zur Frau geworden.» Und weiter: «So wenig es jemandem einfallen würde, einen Junggesellen gleich welchen Alters mit Herrlein anzureden, so wenig sollten Frauen inskünftig verpflichtet sein, bis ans Ende ihrer Tage als Diminutiv durchs Leben zu wandeln.» 1973 verbannte der Bund den Begriff «Fräulein» aus der deutschsprachigen Korrespondenz der Bundesverwaltung. 

In Frankreich dauerte dies wesentlich länger. Erst 2012 wurde die «Mademoiselle» in der Amtssprache durch «Madame» ersetzt. In Ländern mit französischsprachigen Minderheiten wie der Schweiz und Kanada geschah dies Jahrzehnte früher (1973 und 1976). 

«Auch das generische Maskulinum wird obsolet werden»
Die feministische Linguistin Luise F. Pusch sagte unlängst im «Spiegel», es sei der Beharrlichkeit vieler Frauen zu verdanken, dass das «Fräulein» immer mehr in die Kritik geriet. Die Geschichte der Abschaffung der Anrede «Fräulein» zeige, dass es für Veränderungen, die Frauen betreffen, jahrzehntelang Geduld brauche. Wie das «Fräulein» werde auch das «Mitmeinen» der Frauen durch das generische Maskulinum obsolet werden. «Wir müssen beharrlich bleiben und den Optimismus nicht aufgeben, dass irgendwann die Vernunft gewinnt.»

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