glawipi

Eva Glawischnig-Piesczek hat ein wichtiges Urteil im Kampf gegen Hass und Hetze in den sozialen Medien erreicht. © orf

Politikerinnen erringen wichtige Urteile gegen Facebook

fs /  Gerichte haben nach jahrelangen Verfahren zwei Politikerinnen Recht gegeben. Sie müssen Beleidigungen von anonymen Usern nicht hinnehmen.

In Österreich hatte Eva Glawischnig-Piesczek, frühere Parteichefin der Grünen, vor über fünf Jahren Klage gegen Facebook eingereicht, weil ein anonymer User sie als «miese Volksverräterin», «korrupter Trampel» und Mitglied einer «Faschistenpartei» beleidigt hatte. Sie verlangte von Facebook, die Beleidigungen zu löschen und ihr die personenbezogenen Daten des Users herauszugeben, damit sie ihn verklagen kann.

Facebook muss Urteil veröffentlichen
Erst jetzt liegt ein rechtsgültiges Urteil vor, wie der «Standard» kürzlich berichtete. Das Handelsgericht Wien hat Ende letzten Jahres entschieden, dass Facebook den Hass-Post löschen, Glawischnig-Piesczek eine Entschädigung zahlen und das Urteil ein halbes Jahr lang auf der Facebook-Startseite veröffentlichen muss. Zudem muss Facebook die Daten des Users herausgeben, damit Glawischnig-Piesczek gegen diese Person Klage einreichen kann. Das Urteil ist rechtskräftig geworden, weil der Facebook-Mutterkonzern Meta laut dem «Standard» die Einsprachefrist hat verstreichen lassen. Es ist ein Meilenstein im Kampf von Politikerinnen gegen Hass und Hetze in den sozialen Medien. Dieser trifft Frauen anders als Männer, weil sie oft wegen ihres Geschlechts attackiert werden. 

glawipiküna

Facebook findet Schlupflöcher
Das Handelsgericht Wien machte Facebook zwar genaue Vorschriften über Schriftgrösse und Platzierung des Urteils auf der Webseite, jedoch nicht über die Verbreitung. Ein Test des «Standard» ergab, dass Facebook das Urteil nur Nutzerinnen und Nutzern anzeigt, welche die Facebook-Webseite aus Österreich aufrufen, ohne bei dem sozialen Netzwerk eingeloggt zu sein. In der Facebook-App erschien der Hinweis beim Test nicht. Ob das den Vorgaben des Gerichtes entspricht, ist offen. Glawischnig-Piesczeks Anwältin Maria Windhager ist der Ansicht, dass Facebook zur weltweiten Publikation des Richterspruchs verpflichtet ist, da das Handelsgericht keine Einschränkung auf Österreich vorgenommen habe. 

Jahrelanger Rechtsstreit 
Das Urteil ist der Schlusspunkt eines fünf Jahre dauernden Verfahrens. Als 2016 Glawischnig-Piesczek Facebook aufforderte, den Post mit den beleidigenden Behauptungen zu löschen, blendete Facebook nur in Österreich einige Kommentare aus. Damit gab sich die Politikerin nicht zufrieden. Sie verlangte, dass Facebook den Post weltweit entfernt. Der Rechtsstreit ging bis vor den Europäischen Gerichtshof. Dieser entschied 2019, dass nationale Gerichte von Onlineplattformen verlangen können, verleumderische Inhalte weltweit zu entfernen. Der Fall ging zurück nach Österreich an das Handelsgericht Wien, dessen Entscheid nun rechtskräftig ist.

Wegweisendes Urteil auch in Deutschland
In Deutschland hat Grünen-Politikerin Renate Künast einen wichtigen Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht errungen. Die Bundestagsabgeordnete will gegen Personen Klage einreichen, die sie auf Facebook unter anderem als «Schlampe», «Drecks-Fotze», «Drecksau», «Stück Scheisse» und «Pädophilen-Trulla» beleidigt hatten. Doch die Vorinstanz hatte lediglich 12 von 22 solchen Beleidigungen als strafbar beurteilt und Facebook verurteilt, die personenbezogenen Daten der User herauszugeben. Das Verfassungsgericht kritisiert, dass die Vorinstanz in den einzelnen Fällen nicht ausreichend abgewogen hat, ob das Persönlichkeitsrecht oder die Meinungsfreiheit Vorrang hat. Die Behauptung, eine Politikerin müsse im öffentlichen Meinungskampf Beleidigungen hinnehmen, ersetze die Abwägung der beiden Rechte nicht. «Die Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.» Die Vorinstanz muss nun entscheiden, in wie vielen der restlichen 10 von 22 Fällen Künast in strafbarer Weise beleidigt wurde. Das Urteil sei ein Entscheid für die Demokratie, twitterte Künast. Das Gericht schütze die Persönlichkeitsrechte derer, die sich engagieren. 

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581