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Mädchen mit Hijab auf dem Titelbild der Fachzeitschrift «Canadian Medical Association Journal». © cmaj

«Das Kinderkopftuch ist kein Symbol für Vielfalt»

fs /  Ein Arzt in Kanada hat das Kopftuch für Mädchen kritisiert. Die Fachzeitschrift löschte seinen Text und entschuldigte sich, was Musliminnen im Exil empörte.

Im Zentrum der Kontroverse steht die Frage, ob die Aussage islamfeindlich ist, dass nicht alle Frauen und Mädchen frei entscheiden können, ob sie islamische Kleidervorschriften befolgen wollen oder nicht. Musliminnen, die ihre Heimat verlassen mussten, weil sie den Hijab nicht tragen wollten, sagen, es gehe nicht um Kritik an Muslimen, sondern um Kritik an der frauenfeindlichen Ideologie des Islamismus.

«Instrument der Unterdrückung»
Sherif Emil ist Arzt ägyptischer Abstammung am Kinderspital in Montreal. Auf der Webseite des Fachblattes «Canadian Medical Association Journal» kritisierte er Ende letzten Jahres in einem offenen Brief das Bild eines minderjährigen Mädchens mit Hijab auf der Titelseite einer früheren Ausgabe derselben Zeitschrift unter dem Titel: «Ein Instrument der Unterdrückung darf kein Symbol für Vielfalt und Zugehörigkeit sein.»

«Millionen Mädchen und Frauen haben keine Wahl»
Emil schrieb, er respektiere es, wenn erwachsene Frauen im Westen sich entscheiden, den Hijab zu tragen, der Kopf und Hals bedeckt. Doch: «Diese Ansicht ändert nichts an der Tatsache, dass der Hijab, der Nikab und die Burka auch Instrumente der Unterdrückung für Millionen von Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt sind, denen es nicht erlaubt ist, diese Wahl zu treffen.» Wenn Mädchen ab dem Kindergartenalter einen Hijab tragen, könne dies kein selbständiger Entscheid sein. Folgen könnten soziale Benachteiligungen bis zu Traumata sein.

Fachzeitschrift löscht Text
Kritiker warfen Emil darauf vor, fremden- und islamfeindlich zu sein. Der Lobbyverband «Conseil national des musulmans canadiens» verlangte die sofortige Entfernung des Textes. Kurz darauf löschte die Fachzeitschrift den Text und Interims-Chefredaktorin Kirsten Patrick entschuldigte sich für die Veröffentlichung des Briefes. Dieser habe viele Menschen «erheblich verletzt». 
Auf der Webseite des «Canadian Healthcare Networks» entschuldigte sich auch Emil für Titel und Sprache des Textes, die teilweise provokant seien. Es sei nie seine Absicht gewesen, jemanden zu verletzen. In der Sache sei es ihm darum gegangen darauf aufmerksam zu machen, dass nicht alle Frauen frei entscheiden können, ob sie das Kopftuch tragen. Unzählige Kanadierinnen hätten ihm dies nach der Publikation seines Briefes bestätigt. Aus Angst vor persönlichen und beruflichen Konsequenzen wollen sie ihre Geschichten nicht öffentlich machen. «Das allein sollte viele beunruhigen. Wenn ich mich dafür entschuldigen würde, dass ich die Sicht dieser Frauen vertreten habe, würde ich sie verraten. Das kann ich nicht.»

«Wir müssen darüber sprechen»
Löschung und Entschuldigungen lösten heftige Kritik von Musliminnen aus, die im Westen leben. Die iranische Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad, die im Exil in den USA lebt, twitterte, westliche Gesellschaften feierten die Freiheit der Wahl. Doch im Iran werden Frauen ausgepeitscht und zu jahrelangen Gefängnisstrafe verurteilt, wenn sie den Hijab nicht tragen wollen. «Im Iran hat man mir gesagt, dass man mich aus der Schule ausschliesst, einsperrt, auspeitscht, verprügelt und aus dem Land jagt, wenn ich den Hijab nicht trage. Im Westen sagt man mir, meine Geschichte fördere Islamophobie, wenn ich sie erzähle. Ich bin eine Frau aus dem Nahen Osten und ich habe Angst vor der Ideologie des Islamismus. Wir müssen darüber sprechen.» Unter dem Hashtag #LetUsTalk berichteten kurz darauf Hunderte Musliminnen über ihre Erlebnisse mit den religiösen Kleidervorschriften in ihrer Heimat und im Exil. 

Frauenfeindliche Ideologie des Islamismus
Die geschilderten Erfahrungen seien voller Schmerz, sagte Masih Alinejab im französischen Magazin «Charlie Hebdo». Es gehe darum, der westlichen Welt verständlich zu machen, was Musliminnen wegen der Ideologie des Islamismus erleiden müssen. Sie hätten das Recht, ihre Geschichten zu erzählen, ohne dass Linke und Islamisten ihnen Islamophobie vorwerfen und sie so zum Schweigen bringen wie den kanadischen Kinderarzt. Es gehe nicht um Kritik an Muslimen, sondern um Kritik an der frauenfeindlichen Ideologie des Islamismus.

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