Bildschirmfoto 2023-04-19 um 10.33.57

Die Schweizer Regierung ist anderer Meinung: Die männliche Form soll im Französischen Vorrang haben. © change.org

Generisches Maskulinum fällt in Röstigraben

fs /  Ob in offiziellen Texten die männliche Form nur Männer oder alle Menschen meint, entscheidet laut der Schweizer Regierung die Sprachgrenze.

Anfang dieses Jahres hat die Bundeskanzlei überarbeitete Sprachleitfäden für alle Landessprachen veröffentlicht. Die sprachlichen Vorgaben sind für schriftliche Texte der Angestellten der Bundesverwaltung verpflichtend. Was auffällt: In offiziellen deutschen Texten ist das generische Maskulinum verboten, in französischen und italienischen hingegen vorgeschrieben. Die verantwortliche Bundeskanzlei begründet dies damit, dass die männliche Form zur Bezeichnung von Personen verschiedenen Geschlechts in der deutschen Sprache an Bedeutung verloren habe. Im Französischen und Italienischen sei dies nicht der Fall.

«20 Jahre Entwicklung verloren»
Die männliche Form gelte für alle Menschen, heisst es im französischen und italienischen Leitfaden. Das kritisierte der Walliser SP-Nationalrat Emmanuel Amoos im «Blick»: «Ich habe das Gefühl, dass wir gerade 20 Jahre der Entwicklung hin zu mehr Gleichheit verloren haben.» Amoos empfahl dem Bundesrat (Regierung), die Leitfäden mit Hilfe von Expertinnen und Experten zu überarbeiten. Doch dieser lehnte Ende März den Vorschlag schriftlich ab. «Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die als Muttersprache Französisch oder Italienisch haben, verwenden und verstehen das generische Maskulinum in seinem inklusiven Wert, wie es gelehrt wird.» Der Bund dürfe nicht eine sprachliche Entwicklung vorwegnehmen. Für die Regierung gebe es deshalb keinen Anlass, die Leitfäden zu überarbeiten. Amoos will nun im Parlament einen Vorstoss einreichen.

Kontroverse in der SP
In der welschen SP gehen die Meinungen diametral auseinander. Der jurassische SP-Kantonsrat Pierre-André Comte fordert in einer Motion, dass der Kanton Jura die Vorgaben der Bundeskanzlei übernimmt und in seinen offiziellen Texten wieder zum generischen Maskulinum zurückkehrt. Die inklusive Sprache sei eine unleserliche und unverständliche «Entgleisung». Comte zählt dazu auch Paarformen (citoyenne et citoyen). Inklusive Sprache sei ein «ideologischen Irrweg» einer kleinen Minderheit, sagte er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Radio RTS. Sie verändere gar nichts an der Situation von Frauen. Niemand benachteilige mit dem generischen Maskulinum Frauen. 
Sein Parteikollege Emmanuel Amoos erwiderte, es sei Mode geworden, gegen Genderstern und Doppelpunkt zu wettern. Doch diese verwende niemand, weder auf kantonaler noch auf Bundesebene. Um diese typografischen Varianten gehe es gar nicht. Es gehe vielmehr darum, Frauen in der Sprache sichtbarer zu machen. Mittlerweile gebe es viele gute Vorschläge, wie man dies tun kann. Es sei nicht schwierig, man müsse es nur wollen. 

Generisches Maskulinum verboten
Im deutschen Leitfaden der Bundeskanzlei heisst es, die Verwaltung müsse in offiziellen Texten Frauen und Männer ansprechen. Als Möglichkeiten nennt der Leitfaden unter anderem Paarformen (Stimmbürgerinnen und Stimmbürger), substantivierte Adjektive (Stimmberechtigte) und neutrale Ausdrücke (Personen mit Stimmrecht). Typografische Mittel wie Genderstern, Binnen-I oder Doppelpunkt sind verboten, ebenso das generische Maskulinum: «Die generische Verwendung nur der männlichen Form zur Bezeichnung von Personen verschiedenen Geschlechts ist in den deutschsprachigen Texten des Bundes nicht zulässig. In der deutschen Sprache haben die männlichen Formen von Personenbezeichnungen aufgrund des vermehrten Gebrauchs von Paarformen in den letzten Jahrzehnten ihre generische Bedeutung in vielen Kontexten verloren.»

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581