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Medien schüren mit dem Thema gerechte Sprache Emotionen. © BR24

Kritikerin gerechter Sprache findet mediale Bühne

fs /  Geschlechtergerechte Sprache ist für Medien gerne eine Schlagzeile wert. Das nutzte eine unbekannte Schweizer Politikerin im Wahlkampf.

Sarah Regez studiert an der Universität Basel Politikwissenschaften und Recht. Sie ist Mitglied der konservativen SVP. In der «Sonntagszeitung» (SoZ) verkündete Regez Ende letzten Jahres, dass sie nicht gendern wolle. «Selbst wenn sie dafür einen Notenabzug kassieren würde», schreibt die SoZ in der Einleitung. Der Konjunktiv ist wichtig. Es gab bisher keinen Notenabzug für Regez. 

«Selbstzensur und Intoleranz»
Im ganzseitigen Artikel berichtet die SoZ unkritisch über die Behauptungen der Studentin. Weitere Zeitungen des Tamedia-Konzerns übernahmen den Artikel ganz oder teilweise. Anlass für die Klage der Studentin ist ein «Leitfaden für inklusive Sprache», den das Rektorat der Universität Basel letzten Herbst beschlossen hat. Er richtet sich an Dozierende und administrative Stellen. Für studentische Arbeiten gilt er laut der SoZ ausdrücklich nicht. Das sei Theorie, sagt Regez. In der Praxis sei der Druck gross, geschlechtergerecht zu formulieren. Studenten und Dozenten übten gegenseitig Druck aufeinander aus. Regez spricht von Selbstzensur, einem Klima der Intoleranz und Meinungskonformität, das sich an Hochschulen ausgebreitet habe. An einer pädagogischen Hochschule habe sie mal eine Arbeit zurückbekommen, weil sie nicht gegendert habe, sagt Regez. Welche Hochschule dies war, steht nicht in der SoZ. 

Emotionen statt inhaltlicher Debatte
Geschlechtergerechte Sprache taugt immer für eine Schlagzeile, auch wenn es keinen aktuellen Anlass gibt und es inhaltlich wie bei Regez nur um Behauptungen geht. Dass sie aktuell im Wahlkampf um einen Sitz im Parlament des Kantons Baselland ist, erwähnte die SoZ nicht. In Deutschland warf der CSU-Vorsitzende Markus Söder letzten Sommer der Ampelregierung in der «Bild am Sonntag» vor, «Gendern zwanghaft zu verordnen». Darauf twitterte Justizminister Marco Buschmann (FDP): «Falsche Tatsachenbehauptungen gehören nicht ins Repertoire von Demokraten.» Doch Söder weiss, dass er mit geschlechtergerechter Sprache Emotionen schüren und für Schlagzeilen sorgen kann. Auf der Strecke bleibt eine inhaltliche Debatte über das Anliegen von Frauen, in der Sprache sichtbar zu sein.

Mediale Berichterstattung verzögert Gewohnheitsprozess
Es sei einfacher über ein Gendersternchen zu diskutieren, als über die Frage, ob man bestimmte Menschen aus dem alltäglichen Wortschatz ausschliesst, sagte Anatol Stefanowitsch vor einem Jahr dem Portal «Medien360G» des ARD-Senders MDR. Er ist Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Geschlechtergerechte Sprache sei für die meisten noch ungewohnt. Sprachwandel brauche Zeit. Die polarisierende Berichterstattung in den Medien verzögere ihn: «Eine aufgeheizte Debatte verhindert den Gewohnheitsprozess, der sonst schnell einsetzen würde», sagte Stefanowitsch. «Das Gendersternchen wird zum roten Tuch.» Zurück bleibe ein Fremdheitsgefühl.

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