Mit frauenfeindlichen Desinformationen wird Kamala Harris im Netz verunglimpft. © bbc

«Kamala Harris hat sich hochgeschlafen»

fs /  Politikerinnen werden im Netz anders attackiert als Politiker. Das zeigt das Beispiel der US-Präsidentschaftskandidatin.

Donald Trump hat kürzlich auf seiner Plattform «Truth Social» den Beitrag eines anderen Nutzers geteilt, der andeutete, dass Kamala Harris nur dank sexueller Handlungen Karriere in der Politik machen konnte. Sie hat sich hochgeschlafen, lügt, ist machtgierig, lacht zu viel und zu laut, ist emotional, unzuverlässig, verrückt, manipulativ, inkompetent, schwach und trägt die immer gleichen Hosenanzüge. Sie hat in Porno-Videos mitgemacht und ist transsexuell, also ein verkappter Mann. Das sind einige frauenfeindliche Desinformationen über Kamala Harris, die sich viral verbreitet haben.

Vergleich mit Donald Trump
Im Unterschied zu Politikern werden Politikerinnen eher persönlich als wegen ihrer politischen Arbeit diskreditiert und beschämt, wie Studien zeigen. Nicht viral verbreitet haben sich beispielsweise Narrative wie: Donald Trump ist ein Transsexueller, hat in Porno-Videos mitgemacht, sich prostituiert und hochgeschlafen. Und niemand schreibt, Trump trage «die immer gleichen Hosenanzüge». Der Vergleich offenbart frauenfeindliche Vorurteile und Verleumdungen: Frauen seien schwach, inkompetent und hypersexuell. Sie würden ihre Weiblichkeit nutzen, um Männern zu gefallen. Denn ohne deren Unterstützung könnten sie nicht in Machtpositionen kommen. Ansonsten gelinge ihnen das nur, wenn sie transsexuell, also eigentlich ein Mann seien.

«Hexenjagd»
Die Verleumdungskampagne gegen Harris hatte erstmals richtig Fahrt aufgenommen, als sie vor vier Jahren als Vizepräsidentin kandidierte. Ein Post auf Facebook unterstellte Harris damals, dass sie nur Karriere machen konnte, weil sie mit dem US-Politiker Willie Brown geschlafen habe. Die Affäre lag allerdings Jahrzehnte zurück. Trotzdem verbreitete sich die Lüge vom Hochschlafen über rechtsextreme Blogs, Bibelseiten, Motorradforen und Pornoseiten in die konservativen Medien. Dort konnten sich republikanische Politiker über die opportunistische und manipulative Frau empören. Die «Washington Post» hat die Verleumdungskampagne damals rekonstruiert und mit der historischen Hexenjagd verglichen. Es habe sich um eine koordinierte frauenfeindliche Kampagne gehandelt.

«Waffe gegen Frauen»
Frauen in politischen Machtpositionen sind häufiger und härter von Verleumdungskampagnen betroffen als Männer in vergleichbaren Positionen, sagt die Gender-Expertin Lucina Di Meco. Die frühere Mitarbeiterin des «Partito Democratico» in Italien ist Mitbegründerin der globalen Online-Initiative #ShePersisted zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Desinformation über Frauen in der Politik. Ziel der Desinformation über Frauen ist es, sie aus der Politik zu verdrängen, sagt Di Meco. In der Analyse «Monetizing Misogyny» kam sie Anfang 2023 zum Schluss, dass geschlechtsspezifische Verleumdungen Frauenrechte und Demokratie gefährden.
Doch auch die nationale Sicherheit sei in Gefahr, wenn ausländische Akteure frauenfeindliche Narrative fördern, um die Gesellschaft zu spalten. Die digitalen Medien seien zur Waffe gegen Politikerinnen, Aktivistinnen und Journalistinnen auf der ganzen Welt geworden, schreibt di Meco. Algorithmen, automatisierte Profile und Trending Topics förderten und verstärkten frauenfeindliche Narrative. Damit verdienten Social-Media-Plattformen viel Geld.

Viele Betroffene
Die Liste betroffener Politikerinnen ist lang und reicht von der EU-Präsidentin Ursula von der Leyen über die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock und Michigan-Gouverneurin Gretchen Whitmer bis zur früheren neuseeländischen Ministerpräsidentin Jacinda Ardern. Letztere ist zurückgetreten, weil sie erschöpft war. Die ständigen frauenfeindlichen Attacken gegen sie sollen dazu beigetragen haben.
Die Auswirkungen der frauenfeindlichen Online-Attacken dürfe man nicht unterschätzen, sagte Lucina Di Meco in der «New York Times»: «Dies ist die erste Generation von Frauen, die in grösserer Zahl versuchen, in die Politik einzusteigen und für ein Amt zu kandidieren. Doch hinter ihrem Rücken gibt es Akteure, die dies von Anfang an verhindern wollen.»

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