Nach der Wahlschlappe wird erstmals eine Frau Chefin
Erstmals in ihrer über 80-jährigen Geschichte hat die liberal-konservative «Liberal Party of Australia» eine Frau an die Parteispitze gewählt. Die bisherige Vizevorsitzende Sussan Ley soll die Partei nach dem Debakel bei der Parlamentswahl von Anfang Mai aus der Krise führen. Das konservative Bündnis mit der nationalkonservativen Partei hatte fast die Hälfte der Sitze im Parlament verloren.
In der Krise dürfen Frauen ran
Die Wahl von Ley folgt einem Muster, wie andere Beispiele zeigen. Einige blieben länger im Amt, andere verloren dieses schon nach kurzer Zeit.
- Als Angela Merkel im Jahr 2000 Parteichefin der CDU wurde, befand sich die Partei wegen einer Parteispendenaffäre in einer tiefen Krise. 2005 wurde sie Regierungschefin und blieb es bis 2021.
- Nicola Beer wurde 2013 Generalsekretärin der FDP, nachdem diese bei der Bundestagswahl den Sprung ins Parlament nicht mehr geschafft hatte. Auch nach der Wahlschlappe in diesem Jahr wurde mit Nicole Büttner erneut eine Frau Generalsekretärin der FDP.
- Theresa May wurde 2016 britische Regierungschefin, nachdem ihr Vorgänger David Cameron das Brexit-Referendum verloren hatte.
- Pamela Rendi-Wagner wurde 2018 erste Parteichefin der SPÖ in Österreich, als diese in einer tiefen Krise steckte.
- Andrea Nahles wurde 2018 die erste Parteichefin der SPD. Nach nur einem Amtsjahr und den Verlusten bei der Europawahl 2019 wurde sie zum Rücktritt gedrängt.
In der Krise übernimmt eine Frau
In australischen Medien ist nun von der «gläsernen Klippe» die Rede, auf der Ley stehe. Ihre Wahl erfolge an einem Tiefpunkt der Partei. Falls sie nicht rasch erfolgreich sei, werde sie rasch aus dem Amt gedrängt werden. Ley will davon jedoch nichts wissen. Anlässlich ihres ersten Auftritts als Parteivorsitzende sagte sie, dass es bei ihrer Führungsrolle um «viel mehr» gehe als um ihr Geschlecht. In drei Jahren werde sie sicher noch im Amt sein. Trotzdem bat sie darum, ihr die Zeit zu geben, «es richtig zu machen».
«Gläserne Klippe»
Wie in der Politik gelangen auch in der Wirtschaft Frauen oft erst in Führungspositionen, wenn das Risiko des Scheiterns gross ist. Dieses Phänomen haben die Psychologin Michelle K. Ryan von der Universität Exeter und ihr Kollege Alexander Haslam als «Gläserne Klippe» (Glass Cliff) beschrieben. Demnach werden weibliche Führungskräfte in der Wirtschaft häufiger in Krisenzeiten eines Unternehmens auf Führungspositionen befördert, wenn das Risiko des Scheiterns besonders gross ist.
- Die Schweizer Grossbank Credit Suisse hatte 2022 erstmals eine Frauenmehrheit im Verwaltungsrat (Aufsichtsrat). Die Bank befand sich damals in einer schweren Krise und musste ein Jahr später von der anderen Schweizer Grossbank UBS übernommen werden. Die Schuld für dieses Debakel schoben dann einige prompt den Frauen in die Schuhe.
- Bettina Orlopp wurde 2017 als erste Frau Mitglied des Konzernvorstandes der Commerzbank. Als sie 2021 als Vorsitzende kandidierte, wurde Manfred Knof zum CEO ernannt. Die Bank geriet in einen Übernahmekampf mit Unicredit, weshalb Knof letztes Jahr gehen musste. In der grössten Krise der Bank wurde Orlopp schliesslich doch noch zur Vorstandsvorsitzenden ernannt.
- Christina Riley wurde 2020 als erst vierte Frau Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, als diese bereits fünf Jahre in Folge Verluste geschrieben hatte.
- Tina Müller wurde 2023 CEO des Naturkosmetik-Unternehmens Weleda, das zu diesem Zeitpunkt in einer existenziellen Krise steckte.
- Martina Merz wurde 2019 Chefin des Stahlkonzerns Thyssenkrupp, der sich damals in einer der grössten Krisen befand.
- Der Fussball-Weltverband (Fifa) hat nach einem grossen Korruptionsskandal 2016 mit der senegalesischen Diplomatin Fatma Samoura erstmals eine Frau zur Generalsekretärin gewählt.