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Die Individualbesteuerung ist ein Anreiz für verheiratete Frauen, erwerbstätig zu sein. © FI

Individualbesteuerung: «Beste Frauenförderung»

fs /  Die Individualbesteuerung fördere Frauen im Erwerbsleben viel effizienter als Quoten, schreibt eine neoliberale Denkfabrik.

In der Schweiz hat sich das Parlament Ende letzten Jahres gegen die Einführung der Individualbesteuerung ausgesprochen. Nun muss der Bundesrat (Regierung) für die Bundessteuer ein Splitting für Verheiratete vorschlagen. Auf kantonaler Ebene gibt es dieses Ehegattensplitting schon vielerorts.

Splitting fördert traditionelle Rollenverteilung
Beim Splitting wird das Einkommen der Eheleute durch einen Divisor geteilt und das ganze Einkommen zum tieferen Steuersatz des geteilten Einkommens besteuert. Besonders hoch ist die Steuerersparnis für Paare mit je einem sehr hohen und einem tiefen Einkommen. Und das tiefere Einkommen – in der Regel dasjenige der Frau – wird vergleichsweise hoch besteuert. Deshalb sagen Kritikerinnen seit Jahren, dass das Splitting die traditionelle Rollenaufteilung fördere.

«Individualbesteuerung fördert Frauen»
In einem Beitrag für die «NZZ am Sonntag» schrieb kürzlich Marco Salvi von der neoliberalen Denkfabrik «Avenir Suisse», das Splitting sei «eine der effektivsten Massnahmen gegen die Gleichstellung». Es ermuntere Frauen, sich nach der Heirat aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen. «Es gibt heute in der Schweiz Zehntausende von gut qualifizierten Frauen, die aus steuerlichen Gründen vom Arbeitsmarkt fernbleiben oder nur zu sehr tiefen Pensen arbeiten.» Das Splitting trägt laut Salvi «entscheidend» dazu bei, die Karriere von Frauen zu bremsen. Im Unterschied zur Individualbesteuerung: «Die Einführung der Individualbesteuerung würde die Anliegen der Frauen viel stärker voranbringen als eine Quote in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von börsenkotierten Unternehmen.»

Kein Splitting für Witwe
Deutschland belohnt mit dem Splitting das traditionelle Rollenmodell und auch die Ehe. So hat der Bundesfinanzhof kürzlich die Klage einer Witwe abgelehnt. Mit dem Tod ihres Mannes hatte sie den Anspruch auf das Ehegattensplitting verloren, obwohl ihre beiden Töchter damals noch in der Ausbildung waren. Sie musste deshalb mehr Steuern zahlen als ein kinderloses Ehepaar mit gleichem Einkommen und traditioneller Rollenverteilung. Frauenpolitikerinnen und -organisationen fordern auch in Deutschland seit Jahren, die Individualbesteuerung einzuführen und das Splitting für Ehepaare abzuschaffen. Dieses sei kein Anreiz für verheiratete Frauen, erwerbstätig und damit finanziell eigenständig zu sein.


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