Frauenhass ist ein Zeichen für zu viel Patriarchat
Anfang dieses Jahres ist die neuseeländische Ministerpräsidentin Jacinda Ardern zurückgetreten. Permanente Drohungen und Belästigungen wegen ihres Geschlechts seien ein Grund dafür gewesen, meinten damals Fachleute. Sie stellten fest, dass Frauenfeindlichkeit in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit akzeptabel geworden ist.
Frauenfeindlichkeit nimmt in Deutschland zu
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland. Das geht aus der neusten Leipziger Autoritarismus-Studie hervor, die im letzten Herbst veröffentlicht wurde. Danach hat jeder dritte Mann ein frauenfeindliches Weltbild, Tendenz zunehmend. Die Studie erfasst im Zweijahres-Rhythmus rechte Denkmuster und autoritäre Einstellungen anhand repräsentativer Befragungen.
Frauenhass auch in Afghanistan
Die Zunahme eines frauenverachtenden Weltbildes erklären viele damit, dass Männer Angst vor Macht- und Kontrollverlust haben. Fortschritte bei der Gleichberechtigung sollen eine Krise bei Männern auslösen, was zu vermehrtem Frauenhass führe. Doch ein Blick in noch patriarchalere Länder zeigt, dass Frauenhass auch dort grassiert, wo man von Gleichberechtigung weit entfernt ist:
– In Afghanistan fallen unzählige Frauen dem Frauenhass zum Opfer, obwohl sie keine Rechte haben und Männer sie aus der Öffentlichkeit verbannt haben.
– In Südkorea verdienen Frauen durchschnittlich einen Drittel weniger als Männer. In Führungspositionen von Wirtschaft und Politik dominieren Männer. Sexuelle Belästigung ist weit verbreitet. Trotzdem wurde letztes Jahr mit Yoon Suk-yeol ein offen frauenfeindlicher Politiker dank der Stimmen junger Männer zum Präsidenten gewählt.
– In Indien gibt es eine starke Männerbewegung, welche die Gleichstellung bekämpft. Sie hat Zulauf von Männern, obwohl in Indien mehr Frauen Analphabetinnen sind und weibliche Kindstötung nach wie vor verbreitet ist.
«Männlichkeitskrise» schon um 1900
Im Westen sind Frauen heute besser gebildet und junge Frauen können gleich viel verdienen wie Männer. Doch Männer dominieren nach wie vor Wirtschaft und Politik. Diese signalisieren jungen Männern, dass sie alles erreichen können. Es ist das Gerede von einer Krise der Männer, das Männer zu angeblichen Opfern der Gleichberechtigung macht. Das Narrativ der Männerkrise dient dazu, das patriarchale Männerbild als Norm aufrecht zu erhalten. Und zwar schon sehr lange, wie der «Guardian» berichtete: Von einer «Männlichkeitskrise» war schon in der Umbruchszeit um 1900 die Rede. Seither taucht das Narrativ immer wieder auf.
Frauenhass endlich ernst nehmen
Die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt, dass Frauenverachtung und damit patriarchale Geschlechterbilder bis tief in die Mitte der Gesellschaft reichen. Trotzdem wird Frauenhass nach wie vor nicht gleich ernst genommen wie etwa Fremdenhass. Frauenfeindlichkeit ist beispielsweise kein Kriterium in Kriminalstatistiken. Damit bleibt das Ausmass der Straftaten unsichtbar, für die das Geschlecht eine zentrale Rolle spielt. Wer Gewalttaten gegen Frauen nicht als solche benennt, über frauenfeindliche Witze lacht, zu sexistischen Debatten schweigt oder Frauenhass auf Social Media toleriert, der akzeptiert und normalisiert Frauenverachtung. Und zementiert damit patriarchale Rollenvorstellungen, die Frauen auf einen nachrangigen Platz in einer angeblich natürlichen Hierarchie der biologischen Geschlechter verweisen.