Laut der argentinischen Staatsanwaltschaft ist Leihmutterschaft ein Geschäftsmodell, das verarmte Frauen ausbeutet und Kinder kommerzialisiert. © Av

Seltener Einblick in das Geschäftsmodell Leihmutterschaft

fs /  Menschenhändler und Kliniken machen fette Gewinne auf dem Buckel verarmter Frauen. Dies zeigt ein aktueller Fall.

Argentinien hinderte letzten Herbst zwei Italiener mit einem Baby an der Ausreise. Das Kind hatte eine Frau gegen Bezahlung von 5500 Euro ausgetragen. Die Italiener hatten das Baby in Argentinien gekauft, weil Leihmutterschaft in Italien verboten ist. In Argentinien ist sie nicht geregelt. Grund für das Ausreiseverbot waren laut den argentinischen Behörden Ermittlungen gegen einen international tätigen Leihmutterschaftsring, der Frauen in prekären Situationen ausnutzt, berichtete der «Guardian». Diese Ermittlungen ermöglichen einen seltenen Einblick in das Milliardengeschäft mit der Leihmutterschaft.

«Versklavung von Frauen»
Razzien in argentinischen Kliniken, Notariaten und Anwaltskanzleien offenbarten, wie die Fortpflanzungsindustrie fette Gewinne auf dem Buckel verarmter Frauen macht. Laut der Staatsanwaltschaft hat ein Leihmutterschaftsring verarmte Frauen ausgebeutet und Kinder kommerzialisiert. Menschenhändler hätten «schutzbedürftige Frauen in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen» über soziale Medien angeworben. Den Frauen wurden 10’000 US-Dollar versprochen, mit einem Bonus von 1000 bis 2000 US-Dollar, wenn sie per Kaiserschnitt entbinden. 
Kaufeltern mussten rund 50’000 US-Dollar zahlen. Im Falle eines Abbruchs der Schwangerschaft, beispielsweise durch eine Fehlgeburt, gingen die Leihmütter praktisch leer aus. Die finanzielle und gesundheitliche Ausbeutung der Frauen sei mit einer «Versklavung» vergleichbar, so die argentinische Staatsanwaltschaft. Argentinien ist zurzeit in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in Armut.

Geschäftsmodell Leihmutterschaft
Die argentinischen Behörden ermittelten monatelang in fast 50 Fällen. Es gehe nicht um Einzelfälle, sagte Staatsanwältin María Alejandra Mángano:  «Wir konnten aufdecken, dass es sich um ein Geschäftsmodell auf nationaler und internationaler Ebene handelt.» 
Einblicke in das Milliardengeschäft mit der Leihmutterschaft sind selten. Zuletzt zeigte die Razzia in einer «Kinderwunschklinik» in Griechenland, wie Menschenhändler junge Osteuropäerinnen mit falschen Versprechen nach Kreta lockten. In Unkenntnis der erheblichen gesundheitlichen Risiken mussten sie Babys für Kaufeltern austragen und Eizellen «spenden». Für die Kaufeltern kostete ein Baby laut der griechischen Polizei 70’000 bis 100’000 Euro. Den Reingewinn für die Klinik bezifferte sie auf etwa 70 Prozent. Das sind 49’000 bis 70’000 Euro pro Baby.

Ausbeutung von Frauen ist kein Thema
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass vom Ausreiseverbot in Argentinien zwei Italiener betroffen waren. Kurz zuvor hatte das Parlament in Italien beschlossen, dass Italiener nicht mehr im Ausland ein Baby kaufen dürfen. Grund für dieses Verbot ist allerdings nicht der Schutz von Frauen, sondern der Schutz eines «traditionellen Familienbildes». Entsprechend lauteten die Schlagzeilen, dass man Homosexuelle daran hindere, eine Familie zu gründen. Dass ein solches Verbot Frauen vor finanzieller und körperlicher Ausbeutung schützen kann, war kein Thema.

Lobby für Leihmutterschaft
Leihmutterschaft ist in den deutschsprachigen Ländern verboten. Seit Jahren versucht deshalb die Fortpflanzungsindustrie, dieses lukrative Geschäft akzeptabel zu machen. Mit zunehmendem Erfolg: Immer mehr Länder, die Leihmutterschaft verbieten, anerkennen im Ausland geborene Kinder von Leihmüttern und höhlen damit das heimische Verbot aus. Die Medien spielen das Spiel der Lobby mit und porträtieren regelmässig glückliche Paare und Prominente, die dank einer Leihmutter im Ausland ihren Kinderwunsch erfüllen konnten. Kritische Fragen zu den gesundheitlichen Risiken für die Frauen werden nicht gestellt. 
Und wenn Behörden wie Argentinien und Griechenland die finanzielle und gesundheitliche Ausbeutung von Frauen aufdecken, sorgt dies meist nicht für Schlagzeilen. Viel öfter verbreitet die Berichterstattung die Forderung vom Recht auf ein Kind.

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