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Huschke Mau sagt, dass alle Freier Gewalttäter sind. «Es kommt nicht darauf an, wie jemand ist, sondern was er tut.» © ndr

«Freier beuten Frauen in Notlage aus»

fs /  In der Debatte über Prostitution geht es fast immer um die Frauen. Eine Ex-Prostituierte fordert, auch über die Freier zu sprechen.

In Deutschland und in der Schweiz ist Prostitution rechtlich eine Dienstleistung. Die Legalisierung habe Freier davon befreit, genauer hinzuschauen, schreibt Huschke Mau in ihrem Buch «Entmenschlicht». Mau hat sich zehn Jahre lang prostituiert. Männer können entscheiden, ob sie einen Frauenkörper kaufen oder nicht, schreibt sie. Hingegen sei Prostitution keine freie Wahl. Die meisten Frauen prostituieren sich laut Mau, weil sie in einer Notlage sind und ihnen niemand hilft. Dank der Legalisierung können Freier über ihr Leid hinwegsehen und die Not der Frauen ausnutzen. Sie können sogar klagen, wenn sie «zu wenig» für ihr Geld bekommen haben. Mau fordert ein grundsätzliches Umdenken. Der Staat müsse den Kauf von Frauenkörpern verbieten.

Freier werden nicht stigmatisiert
Bis heute kriminalisiert und beschämt die Gesellschaft die Prostituierten und nicht die Freier. Die Frauen müssen Regeln und Gesetze einhalten, nicht die Freier. Prostituierte gelten als Schlampen, nicht die Freier. Mau schreibt, der «gewöhnliche» Freier gehe als «Kunde» in ein Bordell wie in einen Discounter, einen Baumarkt oder in ein Möbelhaus. Er kaufe eine Ware und mit der Bezahlung steht sie ihm zu. Unter welchen Bedingungen, interessiere die meisten nicht. Mau: «Sie wissen, was sie kaufen: Frauenkörper. Sie bestellen einen, der nach ihren Wünschen ist, und buchen den Service dazu wie ein Menü.» 

Freier kaufen Frauen wie eine Ware
Wenn ein Staat Prostitution legalisiert, verändere dies das Frauenbild, sagt Mau. Der Gesetzgeber signalisiere damit Freiern, dass der Sex mit einer Frau okay ist, die ihn eigentlich nicht will. Die Legalisierung in Deutschland und der Schweiz habe Freier enthemmt und brutalisiert. Sie wissen, dass Frauen verfügbar sind und dass sie Gewaltphantasien ausleben können, ohne sich strafbar zu machen. «Gewaltverhältnisse zu legalisieren, um die Opfer zu stärken, ist niemals eine gute Idee», schreibt Mau. Die Legalität verschleiere, dass Prostitution immer Gewalt sei, weil die Frau den Sex nicht wolle. «Man wird nicht gebucht, damit man so ist, wie man ist. Sondern man wird gebucht, damit man so ist, wie der Freier es möchte: Körperlich, im Bett und als Person.» Die Legalisierung der Prostitution verankere in der Gesellschaft ein Frauenbild, «das Frauen zur Ware macht». 

Freier reden sich schön, was sie tun
Laut Mau sind alle Freier Gewalttäter, auch «nette» Freier. «Es kommt ja nicht darauf an, wie jemand ist, sondern was er tut.» Täglich mehrmals ungewollt Sex zu haben schade den betroffenen Frauen seelisch und körperlich. Auch der «nette» Freier rede sich schön, was er tut. Die meisten würden vermuten, dass die Frau den Sex eigentlich nicht will. Das sei ihnen aber egal, weil sie ja dafür bezahlt haben. Da es in der Prostitution keine Zurückweisung gibt, gehe es beim Sex nur um die Bedürfnisse der Männer. Mau: «Es ist wie masturbieren, nur dass die Masturbationsvorlage lebt.» Mau beschreibt eindrücklich, was es heisst, wenn täglich zehn und mehr fremde Menschen den eigenen Körper schon nur anfassen. «Obwohl mich ständig jemand anfasst, berührt mich niemand mehr.» Ob eine Frau Angst hat oder sich ekelt, interessiere Freier nicht. «Das fühlt sich sehr schlimm an.»

Freier lernen, Wille der Frau zu missachten
Freier lernen, dass es ihnen egal sein kann, ob eine Frau Sex mit ihnen haben will oder nicht. «Würde uns ein Bekannter erzählen, dass er letzte Woche Sex mit einer Frau hatte, er aber keine Ahnung habe, ob sie das auch wollte, wären wir entsetzt», sagte Mau im «Blick». Dank ihres Geldes können Freier es umgehen, sexuellen Konsens herzustellen. Mau: «Missbraucht und erniedrigt zu werden und gleichzeitig so tun zu müssen, als fände man das ganz toll, ist das Allerschlimmste», sagte Mau im «Blick».

«Legaler Kauf von Frauen geht uns alle an»
Es sei bequem wegzuschauen. Für Mau ist dies «unterlassene Hilfeleistung durch die Gesellschaft». Doch Prostitution gehe alle etwas an. Ehemänner, Brüder, Chefs oder Freunde können Freier sein. «Als Frau kann es einen stark verunsichern, dem Geschlecht anzugehören, das vom anderen Geschlecht legal gekauft werden darf. Zum Geschlecht zu gehören, das wie eine Ware behandelt und gehandelt wird. Auch wenn man sich selber nicht prostituiert, beschädigt das den eigenen Status als Frau.» Wenn der Kauf von Frauen legal ist, gibt es mehr Freier. Da es kaum «Freiwillige» gibt, müssen Frauen mit Gewalt zur Prostitution gezwungen werden. Mau: «Freier halten ein System aufrecht, das ohne Menschenhandel und Zuhälterei nicht existieren kann.» 

Kauf von Frauen verbieten
«In einer Gesellschaft, in der Frauen gekauft werden, ist weder eine befreite Sexualität noch eine Gleichstellung der Geschlechter möglich», schreibt Mau. Als erster Staat hat Schweden vor über zwanzig Jahren Freier kriminalisiert und Prostituierte entkriminalisiert (Nordisches Modell). Seither wird der Kauf von Frauen bestraft. Dies reduzierte die Anzahl von Freiern und Prostituierten. Die Freier sind weniger gewalttätig, weil sie wissen, dass sie eine Straftat begehen. Die Prostituierten können sich jederzeit an die Polizei wenden, ohne befürchten zu müssen, dass sie wegen eines Gesetzesverstosses bestraft werden. In Schweden ist seither eine Generation herangewachsen, die den Kauf von Frauen ächtet. 

In der Schweiz hat das Parlament letztes Jahr die Einführung des Nordischen Modells zum wiederholten Mal abgelehnt. Die Regierung hatte die Ablehnung empfohlen. Begründung: «Ein strafrechtliches Sexkaufverbot signalisiert, dass Prostitution gesellschaftlich inakzeptabel ist.»

Huschke Mau, Entmenschlicht. Warum wir Prostitution abschaffen müssen, Edel Books 2022, CHF 25.–/EUR 20.–.

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